«Es muss endlich Ruhe einkehren». Offiziell eingeweiht ist das neue Altersheim in Thayngen noch nicht. Freude über den Abschluss des Megaprojekts will im Dorf ohnehin nicht so richtig aufkommen. Es bleibt ein politischer Zankapfel. Gemeindepräsident Philippe Brühlmann bezieht Stellung. Interview Andreas Grossmann, Schaffhauser Nachrichten.
Im Gespräch mit den «Schaffhauser Nachrichten» geht Philippe Brühlmann als Gemeindepräsident und zuständiger Referent auf die Kontroversen rund um das neue Seniorenzentrum in Thayngen ein. Heimleiter Stefan Dennler, immer wieder im Fokus der Anschuldigungen, wollte sich trotz mehrmaliger Anfrage nicht zum Thema äussern.
190305 SN Seniorenzentrum Interview Brühlmann
Herr Brühlmann, der neue Heimleiter, Stefan Dennler, übernahm 2016 ein Heim, das in dem ein Jahr zuvor durchgeführten Curaviva-Audit schlecht abgeschnitten hatte. Trotzdem kamen die nachfolgenden Umstrukturierungen scheinbar bei vielen Mitarbeitern schlecht an. Weshalb?
Philippe Brühlmann: Tatsächlich wurde der Betrieb in hohem Tempo umgebaut, nachdem Herr Dennler das Heim übernommen hatte. Dies aufgrund unseres Auftrags und der grossen Erfahrung des neuen Heimleiters. Er hat der zuständigen Kommission unzählige Konzepte vorgelegt, die sie zur Kenntnis nahm, und anschliessend in den Betrieb eingebracht. Das war angesichts des höchst problematischen Curaviva-Berichts auch nötig. Rückblickend muss ich selbstkritisch sagen, dass gewisse Dinge möglicherweise etwas schnell gegangen sind und sich einige, gerade ältere Mitarbeiter, von diesem Vorgehen überrannt gefühlt haben. Ängste kamen auf.
Immer wieder genannt werden die Beurteilungsgespräche der Mitarbeiter. Diese wurden offenbar teilweise als ungerecht empfunden. Wurde die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter in diesen Beurteilungen zu gering gewichtet?
Brühlmann: Eine wichtige Komponente, ob sich jemand im Betrieb wertgeschätzt fühlt, ist der Lohn. Lohnerhöhungen hängen mit der Leistungsbeurteilung zusammen. Es ist nicht wie früher, als es einfach einen Stufenanstieg im Alter gab. Fakt ist, dass jüngere Mitarbeiter von der verwendeten Beurteilungsmatrix meist etwas mehr profitieren als ältere. In unseren Beurteilungskriterien folgen wir aber 1:1 dem Kanton. Die Kader wurden entsprechend geschult. Es ist sicher sinnvoll, die Kriterien immer wieder zu überdenken, was derzeit auf kantonaler Ebene geschieht. Wenn wir wissen, wie der Kanton sein Zielvereinbarungs- und Leistungssystem anpasst, ziehen wir nach. Es ist aber eine Illusion, dass man es mit einer Beurteilung allen Mitarbeitern recht machen kann. Und: In den erwähnten Beurteilungsgesprächen von 2018 hatten wir insgesamt einen guten Schnitt.
Fakt ist dennoch, dass im Altersheim eine Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern herrscht. Die Kündigungsrate aufseiten der Arbeitnehmer ist mit 49 Abgängen seit August 2016 überdurchschnittlich. Zwei weiteren Mitarbeitern musste gekündigt werden. Worin liegt der Grund für diese Unzufriedenheit?
Brühlmann: Es stimmt, wir haben überdurchschnittlich viele, auch langjährige Mitarbeiter verloren, und wahrscheinlich werden in Zukunft leider noch mehr dazukommen. Das ist nicht schönzureden. Der Ruf ist angeschlagen. Wenn sich jemand bei uns bewerben will und die vielen Kündigungen sieht, überlegt er es sich zweimal. Das ist schade, weil der Grund für die Kündigungswelle nicht nur im Operativen liegt. Hier hat, wie gesagt, eventuell das hohe Tempo zu Unsicherheiten geführt. Inzwischen ist das Seniorenzentrum aber vor allem ein politischer Zankapfel. Man muss es ganz klar sagen: Gewisse politische Exponenten in ausgewählten Gremien haben sich «Robin-Hood-mässig» in personelle Angelegenheiten eingemischt und die Führungsautorität im Operativen bewusst untergraben.
Das entfachte den Flächenbrand erst richtig. Hinzu kommt eine Berichterstattung von aussen, welche die Übergangsschwierigkeiten im Heim, die durch die notwendige Umstrukturierung entstanden, nochmals extrem hervorgehoben und aufgeblasen hat. Seit dem Bericht Altersheim zur Unruhe in der Schaffhauser AZ im April letzten Jahres ist es für uns tatsächlich sehr schwierig geworden, geeignetes Personal zu finden. Wir mussten auf Temporäre ausweichen. Damit entsteht ein Teufelskreis: Je mehr wir von aussen – politisch motiviert – torpediert werden, umso schwieriger wird es für uns, fähiges Personal nach Thayngen zu holen und Ruhe zu schaffen unter den vielen neuen Mitarbeitern. Viele politische Vertreter, die das alte System vor Dennler aufgebaut und mitgetragen haben, stützen es nun und kämpften erbittert gegen die notwendigen
Massnahmen, um die Institution auf einen modernen Stand zu bringen. Letztes Jahr sagte ich dem Einwohnerrat: Gründet eine PUK. Es kam keine, weil damit die früheren Handlungen aufgedeckt und die heutigen Akteure rehabilitiert worden wären.
Tatsächlich gestaltet sich der politische Prozess rund um das Altersheim extrem zäh. An der Einwohnerratssitzung im Dezember gab es erneut eine Schelte an den Gemeinderat: Weder den Leistungsauf-trag noch das Reglement winkte man durch. Der Vorwurf: zu unsorgfältig ausgearbeitet. Es gibt gar das Gerücht, Sie hätten kein Interesse, die Finanzen in den Griff zu bekommen, da Sie das Heim sowieso lieber teilprivatisieren würden?
Brühlmann: Tatsächlich ist politisch inzwischen leider nichts mehr einfach im Zusammenhang mit dem Seniorenzentrum. Persönlich finde ich eine Teilprivatisierung, etwa mit der Gemeinde als Mehrheitsaktionärin, zumindest prüfenswert. Es gibt in der Schweiz viele erfolgreiche Beispiele. Der Vorwurf ist aber selbstverständlich kompletter Blödsinn. Zudem kommt das Defizit, von dem jetzt wieder so viel gesprochen wird, keineswegs aus heiterem Himmel.
Dass das Minus im letzten Baujahr eine Million überschreiten könnte, haben wir bereits 2016 in der Planerfolgsrechnung vorausgesagt. Die GPK war involviert. Das sind keine Neuigkeiten. Budgetiert war für 2018 letztlich ein Defizit von 900 000 Franken, das stimmt. Noch ein Punkt zur Einwohnerratssitzung vom Dezember 2018 und für alle zur Info: Es gibt eine unabhängige Beschwerdestelle für das Alter, die für Zürich und Schaffhausen zuständig ist. Die Adresse findet sich auf der Gemeindeseite.
Es gibt Gerüchte zu einer Bevorteilung durch familiäre Banden innerhalb der Pflege. Haben Sie davon Kenntnis?
Brühlmann: Ja, das Thema ist mir bekannt. Es wurden bereits Gespräche dazu geführt, auch an der Mediation.
Abschliessende Worte?
Brühlmann: Wir sollten doch bitte alle endlich etwas mehr Freude an unserem neuen Seniorenzentrum haben. Es ist bei Weitem nicht so schlecht wie dargestellt, im Gegenteil. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass Ruhe in den Betrieb kommt. Das hilft den Mitarbeitern und den Bewohnern am meisten, welche die Leidtragenden der negativreisserischen Berichterstattungen sind.
Danke für das Gespräch.
Zitat: «Die Reputation des neuen Heims als Arbeitsplatz wurde durch die ganzen Kontroversen stark in Mitleidenschaft gezogen.»
Randspalte: 2015 hat man mit dem Bau des neuen Heims begonnen. In der Folge stand das Projekt politisch immer wieder in der Kritik. Zunächst wegen der Kosten, die deutlich höher zu liegen kamen als geplant. Danach wegen der neuen Führung. Im August 2016 wurde mit Stefan Dennler eine neue Heimleitung installiert. Seit diesem Zeitpunkt wird vermehrt über Personalprobleme und politische Streitigkeiten berichtet.