22. August 2019. Im Seniorenzentrum im Reiat werden 5,4 Stellen in der Pflege abgebaut. Dies erklärte Gemeindepräsident Philippe Brühlmann an der Einwohnerratssitzung. Genehmigt wurde ein Kredit für ein Regenklärbecken.

Andreas Schiendorfer

THAYNGEN. Wer das Seniorenzentrum im Reiat besucht, kann zwar nicht das Gras wachsen hören. Aber er sieht es wachsen, das Gras, täglich werden die Narben aus der langen Bauzeit besser überdeckt. Das wünschen sich alle, der Gemeindepräsident, die Heimleitung, das Personal und auch die SP-Einwohnerräte. Diese verlangte mit zwei Interpellationen Fakten und damit mehr Transparenz. Zunächst über die hohe Personalfluktuation – 84 Mitarbeitende verliessen zwischen August 2016 und März 2019 diesen Arbeitsplatz (die SN berichteten). Dann über die schlechten Rechnungsabschlüsse der letzten drei Jahre und insbesondere über die frappante Diskrepanz zwischen Budget und Jahresergebnis.

Erstunterzeichner Renato Sala verzichtete denn auch auf eine lange Interpellationsbegründung, die Zahlen allein sind bitter genug: Von 2016 bis 2018 beträgt das kumulierte Defizit 3,22 Millionen Franken; das Gesamtdefizit lag um nicht weniger als 1 699 264 Franken über den jeweiligen Budgets. Und am schlimmsten: Die Tendenz liess eine weitere Steigerung befürchten.

Tatsächlich wartete Gemeindepräsident Philippe Brühlmann mit einer Hiobsbotschaft auf, die vergessen liess, dass die meisten Fragen der Interpellation weitgehend unbeantwortet blieben: Per Ende Juli 2019 belief sich das Defizit des Seniorenzentrums im Reiat auf 1,05 Millionen Franken, sodass man bis Ende Jahr ein solches von 1,4 bis 1,6 Millionen Franken befürchten musste. Auf eine spätere Nachfrage von Karin Germann (SVP) erklärte sich Brühlmann bereit, der Legislative einen Nachtragskredit vorzulegen. Der Gemeinderat zog vor wenigen Tagen den Stecker und beschloss ein ganzes Massnahmenbündel: Insbesondere werden 540 Stellenprozent in der Pflege abgebaut und zwei Gruppen organisatorisch zusammengeführt. Vorgegeben wird zudem der Abbau der teilweise
massiven Überstunden. Auch die Taxordnung wird nochmals überdacht.

Auf seiner Ursachenforschung ging der Gemeindepräsident in einem rund einstündigen Statement bis ins Jahr 2011 zurück und zeigte auf, dass bereits seinem Vorgänger respektive dem damaligen Gemeinderat bei der Abstimmungsvorlage keineswegs der grosse Wurf gelungen war. Und jedes Mal, wenn sich die Experten näher mit der mutmasslichen Auslastung befassten, ging die prognostizierte Bettenzahl zurück und auch die Besa-Punkte der Heimbewohner, die den Grad der Pflegebedürftigkeit und damit der Entschädigung anzeigen. Mittlerweile ist man bei einem sehr tiefen Durchschnitt von 4,52 Besa-Punkten angelangt.

Die Ursache für den Rückgang der Belegung sieht Brühlmann persönlich nicht zuletzt beim Reputationsverlust, der durch die «politisch motivierten» Voten der SPFraktion – Paul Zuber und Marco Passafaro liessen das so nicht stehen – und die Medien zurückzuführen ist. Daneben kommt in Thayngen auch der Grundsatz «ambulant vor stationär» zum Tragen. Schliesslich legte Brühlmann ein «realistisches» Rohbudget für 2020 vor, das von einer tiefen Besa-Zahl und einer hohen Belegung mit 74 Bewohnerinnen und Bewohnern ausgeht, was ein Defizit von 330 000 Franken ergibt.

Regenklärbecken nicht unumstritten
Ebenso lang wie über das Seniorenzentrum wurde vorgängig über das Regenklärbecken Sandbühl diskutiert. Die Vorlage von Gemeinderat Walter Scheiwiller über 780 000 Franken war für den Einwohnerrat so überraschend gekommen, dass sich recht viele Fragen stellten, auch wenn die Notwendigkeit an und für sich unbestritten war. Gegen die Vorlage stimmten schliesslich Patrick Flückiger (FDP), weil für ihn, als Experten, einige technische Fragen unbeantwortet blieben, sowie Urs Winzeler (SVP), dem ein Gesamtkonzept fehlte. Die Ausgaben bewegen sich im Rahmen
der jährlichen Investitionen in das kommunale Abwassernetz, dennoch hat im November das Stimmvolk das letzte Wort.

Unter Verschiedenes hörte man, dass Thayngen mit 5503 Bewohnern eine magische Grenze überschritten hat. Ratspräsidentin Nicole Stump (FDP) musste zudem den berufsbedingten Rücktritt von Polizist Martin Müller (SVP) bekannt geben.