Der Verein Wohnqualität Thayngen unterstützt die Aufwertungspläne des Kesslerlochs. Ein Problem sieht er aber in den Bauplänen der SwissImmoRec AG auf dem angrenzenden Industrieareal. Der Verein will sich den neu erstellten Quartierplan ganz genau ansehen. Isabel Hempen, Schaffhauser Nachrichten (5.9.2020),
Auf einen Blick: alle Artikel zum Thema im September 2020
200905 SN Interview Aldo Künzli
20908 THA Kesslerloch, Ueli Flückiger
200916 Schaffhauser Fernsehen: Martin Kessler und Katharina Schäppi
200917 SN Kesslerloch Die andere Sicht
THAYNGEN. «Das Kesslerloch-Projekt finden wir sehr gut», betont Aldo Künzli, Vizepräsident des Vereins Wohnqualität Thayngen: Die Gemeinde wünsche sich eine solche Aufwertung des national bedeutsamen Kulturdenkmals.
Präsentiert worden waren die Aufwertungspläne an einer Informationsveranstaltung im Thaynger Reckensaal von Kantonsarchäologin Katharina Schäppi, Regierungspräsident Martin Kessler und Raumplaner Olaf Wolter, der mit der Erarbeitung des Quartierplans betraut ist. Gemeindepräsident Philippe Brühlmann legte die Sicht der Gemeinde zum Projekt dar (SN vom 4. September).
«Ein ganz sensibles Gebiet»
Dennoch hat Aldo Künzli ein Problem, und dieses liegt im Industrieareal, das an das Kesslerloch angrenzt und sich unweit eines Wohnquartiers befindet. «Man darf mich nicht falsch verstehen: Das ist eine Industriezone, die wir auch akzeptieren. Nur ist nicht jeder Industriebetrieb geeignet, so nahe an der Wohnzone zu liegen.» Der frühere Standort der «Zementi» gehört heute der SwissImmoRec AG. Zur Aufwertung der Kesslerlochumgebung ist diese bereit, etwa einen Drittel des Areals an den Kanton abzutreten.
Derzeit nutzt die Firma Rail Kontor AG das Gelände als Zwischenlager für Wertstoffe, in absehbarer Zeit möchte die SwissImmoRec hier aber einen Recyclingbetrieb einrichten. Aktuell dürfen auf dem Industriegelände zehntausend Tonnen Material im Jahr umgeschlagen werden. «Wir haben im Dorf also 20 bis 60 Lastwagen, die täglich über die Kesslerlochstrasse zum Areal fahren», so Künzli. Der Verein ist der Ansicht, dass die verkehrsberuhigte Kesslerlochstrasse eine Erschliessungsstrasse für das Wohngebiet sei und nicht als Zufahrt zum Industriegebiet genutzt werden sollte. Denn der Lastwagenverkehr bringe eine erhebliche Lärmbelastung für das Wohngebiet mit sich und gefährde die Spaziergänger vom Seniorenzentrum und die Besucher des Kesslerlochs.
Selten fänden vonseiten Rail Kontor zudem auch Zugtransporte über die zum Areal hinführenden Geleise statt. «Rangiert wird jeweils
nachts nach zehn bis kurz nach zwölf Uhr oder ganz früh morgens vor sechs Uhr», so Künzli – laut Deutscher Bahn seien dies die einzig verfügbaren Zeitfenster. Die Geleise befinden sich nahe dem Wohnquartier, das damit dem Rangierlärm ausgesetzt ist. Gemäss früheren Plänen, die der Quartierverein erfolgreich anfocht, hätte die SwissImmoRec mit Errichtung des geplanten Recyclingbetriebs bis zu 120 000 Tonnen Material jährlich auf dem Gelände verarbeiten dürfen. Mit der Verkleinerung desselben um rund einen Drittel würde sich dieser Wert auf 80 000 Tonnen verringern, wie Raumplaner Olaf Wolter an der Informationsveranstaltung erklärte. 20 Prozent der Zufahrtstransporte und 60 Prozent der Abfuhrtransporte würden per Bahn erledigt, der Rest per Lastwagen.
«Der Lastwagenverkehr stört jetzt schon ganz enorm», sagt Künzli. Künftig müssten die Anwohner mit rund vier- bis achtmal so viel Lastwagenfahrten und täglichem Rangierlärm zu Nachtzeiten rechnen. Nach Ansicht des Quartiervereins sollte die SwissImmoRec von der Reiatstrasse her eine Strasse zum Areal hinziehen, was diese aber ablehnt. Eine Option wäre für ihn auch der Bau einer Zufahrt über oder unter den Bahngeleisen. Da unter dem Areal Grundwasser fliesst, dürfe darauf gemäss einem Faktenblatt des Interkantonalem Labor keine Recyclinganlage zu stehen kommen, sagt Künzli – wobei Kurt Seiler vom Interkantonalen Labor dies so nicht bestätigen will. Bedenken bezüglich des neuen Quartierplans hat Künzli auch, was den Boden des Geländes anbelangt. «Die SwissImmoRec behauptet, dieser sei auflagengemäss versiegelt», so Künzli. Ihm zufolge liegt über den «Zementi»-Gebäuderesten im Untergrund über weite Strecken nur ein Abriebdeckel, der entsprechend undicht sei. Die maroden Kabelkanäle im Untergrund als Retentionsbecken zu verwenden, dürfe nicht toleriert werden, da das Meteor- und Geländewasser sonst in den Untergrund versickere und das Grundwasser und die noch vorhandenen
eiszeitlichen Funde verschmutze. «Wenn der Boden richtig versiegelt wäre, könnte man darüber hinwegsehen», sagt Künzli. Es handle sich um ein «ganz sensibles Gebiet».
Kesslerloch-Projekt gefährdet?
Nun haben das Projekt zur Aufwertungdes Kesslerlochs und das Bauprojekt der SwissImmoRec im Grunde nichts miteinander zu tun. Aber Künzli meint: «Regierungspräsident Martin Kessler hat mir gesagt, dass wir den Fahrplan für das Kesslerloch gefährden, wenn der Verein weiterhin Opposition macht gegen das Bauvorhaben der SwissImmoRec.» Künzli befürchtet daher, dass die SwissImmoRec ihre Landabtretung an den Kanton an die Bedingung knüpfen könnte, dass sie ihr Bauvorhaben ungehindert durchführen kann. «Es wäre eine grosse Gemeinheit, nein: eine Erpressung, wenn die SwissImmoRec die beiden Dinge
miteinander verknüpfen würde.» Er hofft, dass dies nicht der Fall sein wird. «Unser Ziel ist ganz klar: Entweder der Betrieb wird echt umweltfreundlich, ohne Verkehrs- und Lärmbelastung. Oder wir müssen Einsprache einlegen.» Der Verein werde sich daher den Quartierplan, der derzeit noch auf Kantonsebene geprüft wird, und anschliessend auch das Baugesuch ganz genau ansehen.
Zitat: «Es wäre eine grosse Gemeinheit, nein: eine Erpressung.» Aldo Künzli, Vizepräsident Verein Wohnqualität Thayngen