Im Gespräch mit: Robert Spichiger
Reiat Tourismus und die Kantonsarchäologie eröffnen am 24. August an fünf Stationen den Steinzeitpfad. Robert Spichiger, Präsident von Reiat Tourismus, ordnet das neue Angebot aus touristischer und regionalgeschichtlicher Sicht ein.
Andreas Schiendorfer
Nach dem Reiatweg 2009, dem Findlingsweg 2012 und dem Biberweg 2014 folgt nun also ein Steinzeitweg. Thayngen setzt auf Spezialwege, um Wanderern von ausserhalb die Natur- und Kulturlandschaft des Reiats näherzubringen. Eine sinnvolle Investition?
Herr Spichiger, so richtig mitreissend klingt der Name «Steinzeitpfad» ja nicht.
Robert Spichiger: Darüber kann man geteilter Meinung sein. (lacht) Die Steinzeit ist die früheste Epoche der Menschheitsgeschichte. Wir gehen also gewissermassen zurück zu den Wurzeln unseres Daseins. Etwas Spannenderes kann es nicht geben, auch wenn wir nicht die gesamte, mehr als 2,5 Millionen Jahre dauernde Epoche abdecken, sondern uns an den Funden in der Region orientieren. Auf Thaynger Gemarkung sind dies natürlich das Kesslerloch und die Pfahlbausiedlung im Weier. Da aber der Steinzeitpfad bis nach Schaffhausen führt, gilt es beispielsweise auch das Schweizersbild zu erwähnen.
Die Pfahlbausiedlung von Thayngen-Weier steht auf der gleichen Stufe wie der Stiftsbezirk St. Gallen oder die Pyramiden von Gizeh. Wenn man dies bedenkt, ist der Anblick, gerade auch aus der Sicht des Touristen, vielleicht eher enttäuschend.
Spichiger: Thayngen-Weier wurde 2011 im Verbund mit 110 anderen Pfahlbausiedlungen in sechs Alpenländern aufgrund seiner kulturhistorischen Bedeutung in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen – natürlich nicht aus ästhetischen Überlegungen heraus. Was die heutige Situation dieser vor rund 5000 Jahren angelegten Siedlung anbelangt, so habe ich zwei Seelen in meiner Brust – eine archäologische und eine touristische.
Lassen wir zunächst die touristische Seele sprechen.
Spichiger: Nach jahrelangen Bemühungen mit ernüchternden Phasen der Stagnation bin ich für den Moment sehr glücklich, doch wir sind noch nicht am Ziel. Wir erzielen aber eine klare Verbesserung, die ich als fünfte Etappe bezeichnen möchte. Am Anfang stand 1914 die Entdeckung der jungsteinzeitlichen Moorsiedlung durch Karl Sulzberger. Seit den Grabungen von Walter Ulrich Guyan stellen die Funde aus Thayngen ab 1950 einen attraktiven Schwerpunkt im Museum zu Allerheiligen dar, wobei ich die Kesslerlochfunde im gleichen Atemzug mit jenen aus der Moorsiedlung nennen möchte. Die dritte Etappe wäre dann die Aufnahme ins Weltkulturerbe mit drei Informationstafeln der Kantonsarchäologie sowie einer Informations-App des Vereins Palafittes. Die vierte Etappe beinhaltet, aus touristischer Sicht, 2017 das Pfahlbauhaus beim alten Weiher. Am 24. August werden nun die drei Informationstafeln aktualisiert. Zudem wird die Kantonsarchäologie auch zwei «Guck-Anlagen» installieren, durch welche man das Pfahlbaudorf von Norden respektive Südosten im Gelände betrachten kann. In einem nächsten Schritt soll – die nötigen Ressourcen vorausgesetzt – beim Pumpenhaus eine Hörstation eingerichtet werden.
Wir planen auch einen Videofilm, der das damalige Leben veranschaulicht. Zudem möchten wir einen Container mit Fundobjekten aufstellen. Als weitere Etappe stelle ich mir eine optimierte Präsentation von Thaynger Fundobjekten auch im Reiatmuseum vor.
Kommt nun das «Ja, aber», wenn Sie auf Ihre archäologische Seele hören?
Spichiger: Es kommt immer wieder vor, dass die Unesco einzelne Stätten aus ihrer Liste entfernt, weil sie nicht den nötigen Schutz erhalten. Auch Thayngen-Weier ist in dieser Hinsicht ein Grenzfall. Die Fundstätte ist als archäologische Schutzzone definiert worden, doch entspricht dies nicht der Realität. Letztes Jahr konnte Reiat Tourismus bei den Schrebergärten einen Teil des ehemaligen Siedlungsgebiets in Pacht übernehmen und bis auf weiteres einer schonenden Grasbewirtschaftung zuführen.
Der andere Teil sollte spätestens beim Auslaufen des Pachtvertrages ebenfalls der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden.
Hat denn die Siedlung im Boden Schaden erlitten?
Spichiger: Die Archäologen sind davon überzeugt, zumal neben der landwirtschaftlichen Nutzung auch der künstlich abgesenkte Grundwasserspiegel ein Problem darstellt. Doch das komplette Ausmass des Schadens kann man nur durch eine archäologische Untersuchung eruieren. Eine solche wurde zuletzt 1989 durchgeführt.
Ein Wort zur Situation beim Kesserloch?
Spichiger: Die Kantonsarchäologie stuft das Kesslerloch als international bedeutend ein und möchte es bestmöglich schützen. Im Zusammenhang mit dem noch ausstehenden Quartierplan finden Gespräche zwischen der Gemeinde und den Eigentümern des angrenzenden Areals statt, aber hierüber besitze ich keine näheren Informationen.
Neben diesen erfreulichen Informationen muss man nüchtern feststellen, dass der Tourismus im Reiat grundsätzlich einen schweren Stand hat und mit der Schliessung des «Hüttenlebens» kürzlich sogar einen Rückschlag erlitt.
Spichiger: Wir werden im Reiat nie einen Massentourismus erleben – und einen solchen wollen wir auch nicht, weil dies unsere Landschaft beeinträchtigen würde. Aber es wäre schön, wenn gewisse Einnahmen generiert werden könnten. Ich setze da auf die Fantasie unserer Gewerbetreibenden. Vielleicht gibt es schon bald Spezialitäten mit einem Namensbezug zum Kesslerloch oder zur Pfahlbauzeit.
Ich selbst würde mir kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten wünschen. Leider scheint die Bed-and-Breakfast-Idee im Reiat noch nicht auf Anklang zu stossen. Wünschenswert wäre zudem ein Campingplatz beim Schwimmbad auf der Fallenwiese.
Darüber hinaus dienen unsere wichtigsten Kulturgüter als Standortfaktor unserer kinderfreundlichen Wohngemeinde beziehungsweise als Identitätsfaktor für die neu hierher gezogenen Familien. Es ist also viel Potenzial da.
Der Steinzeitpfad ist etwa acht Kilometer lang. Reiat Tourismus wird 30 Wegweiser, die Kantonsarchäologie 13 Tafeln mit gut verständlichen Informationen aufstellen. Im Bereich der Pfahlbausiedlung gibt es zwei touristische Tafeln zur Orientierung für Wanderer.
Eröffnung Steinzeitpfad: 24. August (Ansprachen, Rundgang, Attraktionen). Steinzeitausstellung: 14. September im Kulturzentrum Sternen