Das dreizehnte Vereinsjahr liegt hinter uns. Dreizehn ist ja scheints eine Unglückszahl – so wollen es wenigstens ein paar Abergläubige. Für unseren Verein hat sich diese Tradition nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Kantonale Instanzen haben uns in der Frage, ob die provisorische Betriebsbewilligung einer Recycling- Anlage einer Baubewilligung bedarf, Recht gegeben. Und dies nach jahrelangen Bemühungen unsererseits. Dass wir dabei vom Kanton und auch von der Gegenpartei zweieinhalb Tausend Franken an geleisteten Rechtskosten erstattet erhielten, war für dabei lediglich eine kleine Genugtuung.

Aber der Reihe nach.

Wie hinlänglich bekannt ist, haben wir unseren Verein für Wohnqualität VWT vor mittlerweilen vierzehn Jahren gegründet. Der Anlass – und auch dies ist nichts Neues – war das geplante und oben erwähnte Recyclingwerk, welches unser Dorf mit zusätzlichen Belastungen in Bereichen wie Verkehr, Lärm und Umwelt beehren wollte. Dass man eine Firma nicht einfach loswerden kann, wenn sie zonenkonform operieren will, war uns von Anfang an klar. Und falsch gelegte Pfade der Planung in der Vergangenheit verunmöglichen anscheinend eine andere Nutzung des Areals «Zimänti Süd».

Unser Verein baute in der Folge darauf, dass ein Weg für ein verträgliches Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten gefunden werden könnte. Aber wir mussten leider feststellen, dass alle Türen verschlossen waren. Und obwohl die Firma bis heute kein ordentliches Bauverfahren eröffnet hat, sondern es bei Ankündigungen beliess, kann seit nunmehr sieben Jahren uneingeschränkt gearbeitet werden. Und zwar mit befristeten Betriebsbewilligungen. Unsere Fachleute in Sachen Baurecht haben in der ganzen Schweiz keinen Fall gefunden, wo bisher so etwas praktiziert wurde.

Man erinnere sich: der erste Quartierplan, der eingereicht wurde, musste von der ENHK, der Eidgenössischen Kommission für Natur- und Heimatschutz, als nicht bewilligungsfähig zurückgewiesen werden. Der neu aufgelegte Quartierplan wurde noch nicht dahingehend beurteilt. Es ist nur schwer vorstellbar, dass dieser ohne wesentliche Korrekturen besser davonkommen wird. Dies hindert den Arealbetreiber nicht, nach sieben Jahren Provisorium erneut um Verlängerung der befristeten Betriebsbewilligung zu ersuchen. Dies dürfte aber nicht so einfach sein, denn sowohl Regierungsrat als auch Obergericht sagen, dass es dafür eben eine Baubewilligung braucht. Aber wie soll das gehen?

Kann man einfach, wie beispielsweise bei einem bereits erstellten Gartenhäuschen, ein nachträgliches Baugesuch stellen, eine kleine Busse bezahlen – und gut ist…? Wohl kaum. Denn hier ist der Sachverhalt komplizierter. Ein Wiederherstellungsverfahren droht und eine weitere befristete Betriebsbewilligung käme einem Widerspruch der kantonalen Behörden gleich: Kein Betrieb ohne Baubewilligung. Eine verzwickte Sache, in welche man sich hier hineinmanövriert hat.

Soweit – so gut…

Zurück zum Jahresbericht. Eigentlich hätte ich mir das Leben einfach machen und Ihnen mitteilen können: Siehe Bericht des letzten Jahres. Denn auch dieses Vereinsjahr war geprägt von Rechtsschriften, welche hin und hergingen. Obwohl die Sache für den VWT je länger, desto positiver ausfällt, widerstreben mir Juristereien zutiefst. Es gibt für mich angenehmere Texte als die verklausulierten Repliken, Dupliken, Tripliken, etc. Ich glaube, als Jurist wäre ich der Depression geweiht… Aber anscheinend ist es momentan der einzige Weg, sich in der ziemlich verkachelten Situation zu verständigen.

Mittlerweilen hat sich auch die Politik ins Geschehen eingeschaltet. Man muss nämlich wissen, dass sechs Mitglieder des Einwohnerrates dem VWT angehören. Und dies wohlgemerkt partei- übergreifend. Und es hat sich gezeigt, dass diese Parlamentarier in der Lage sind, Mehrheiten zu generieren.  Druck also auch von dieser Seite. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Ortsregierung – wie verlautet – mehrheitlich die aktuelle Volksinitiative zur Abschaffung des Einwohnerrates unterstützt. Es scheint die Hoffnung zu herrschen, dass eine Gemeindeversammlung leichter zu überzeugen ist, als ein Parlament, welches in der Lage ist, sich in komplexe Dossiers einzulesen und qualifizierte Fragen zu stellen. Aber dies könnte eine Täuschung sein.

Ob es in unserer Auseinandersetzung wirklich nie einen anderen Weg gegeben hat? «Miteinander reden», war doch einst die Devise unserer Vorfahren. Aber wie soll man reden, wenn – wie bereits erwähnt – die Türen zu sind und die Beteiligten sich hinter der ewigen Sprachregelung der «laufenden Verfahren» verschanzen.

Das mag sich auch unser neuer Hochbaureferent, Christoph Meister gefragt haben. Angesichts der schwierigen Situation kam er mit der Frage auf mich zu, ob der VWT bereit sei, in ein Gespräch zu einem möglichen Kompromiss einzusteigen. Wir berieten diese Frage im Vorstand und kamen einstimmig zum Schluss, mitzumachen. Es wurde allerdings nichts daraus. Die Betreiber der Recyclinganlage wollten nicht: Man sei schon genug Kompromisse eingegangen, liessen sie ausrichten und wir fragten uns, wie es möglich ist, einseitig Kompromisse einzugehen – aber lassen wir das. Uns nun noch immer fehlende Kompromissbereitschaft vorzuwerfen wird forthin schwierig sein.

Der neueste Streich kommt nun vom IKL, dem interkantonalen Labor, welches dem Departement des Innern unterstellt ist. In der vom Regierungsrat angeforderten Stellungnahme hinsichtlich des längst überfälligen Entscheids über den VWT-Rekurs von 2017 gegen die befristete Betriebsbewilligung versucht diese Amtsstelle mit steilen Thesen unsere Argumente zu pulverisieren. Pikantes Detail: Das IKL bestätigt in deutlichen Zahlen, dass in den vergangenen Jahren die bewilligte Umschlagmenge im Areal teilweise um das Vierfache überschritten wurde. Dies und anderes machten es unserem auf Baurecht spezialisierten Anwalt leicht, eine deutsch und deutliche Stellungnahme zu verfassen. Diese gipfelte in der Aufforderung, der Regierungsrat möge prüfen, eine Strafuntersuchung gegen das IKL zu eröffnen. Unser eigentlich sonst eher zurückhaltender und sachlicher Anwalt liess sich gar zur Bemerkung «Beobachter-würdige Umstände» hinreissen. Bedenklich.

Eines ist klar: Wenn der Regierungsrat seinen Entscheid über unseren Rekurs voll zu Gunsten der Arealbetreiber fällt, müssen wir uns ernsthaft fragen, was das Recht in unserem Kanton noch wert ist und ob in Lausanne dies alles wohlwollend mitgetragen werden kann.

Dass die vor über zwei Jahren angekündigte Attraktivierung der prähistorischen Fundstätte Kesslerloch kaum mehr Thema ist, mag erstaunen; noch erstaunlicher ist jedoch, dass niemand mehr danach fragt. Die Gründe dafür können einerseits wohl im laufenden Verfahren gesucht werden, andererseits fragt man sich jedoch, warum sie im noch nicht bewilligten Quartierplan nirgends explizit vorkommt.

Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Thema Sanierung der Bahnüberführung Erlengasse: Dem Vernehmen nach soll das Projekt zeitlich nach hinten verschoben worden sein. Vermutlich eine Verspätung wie wir sie von der Deutschen Bahn seit jeher gewohnt sind. Aber auch das eine Herausforderung für die Anwohnenden.

Weiter gilt auch heuer der Satz, den ich bereits im letztjährigen Jahresbericht gebracht habe:  In nächster Zeit wird uns vermutlich die Arbeit nicht ausgehen. Und eigentlich ist es ja ein gutes Zeichen für eine funktionierende Demokratie, dass der Bürger wach bleibt und als Souverän den von ihm gewählten Politikern auf die Finger schaut, obwohl dies für die Magistraten nicht immer angenehm ist – besonders vor Wahlen…

Und nun bleibt mir, zu danken. Und zwar meinen Vorstandsmitgliedern für ihre Mitarbeit in unserem Gremium. Dass vieles immer am Präsidenten hängenbleibt, ist eine Gesetzmässigkeit, welche auch andere Vereine kennen. Aber es ist wichtig, einen Vorstand zu haben, der verhindert, dass man zum Einzeltäter werden muss. Dies wäre nämlich nicht meine Sache.

Zu danken ist auch all denjenigen, welche unserer Arbeit wohlwollend gegenüberstehen, aber auch den konstruktiven Kritikern, welche dazu beitragen, dass wir auf dem Teppich bleiben dürfen.

Und natürlich auch Ihnen, liebe VWT-Mitglieder, welche uns mit Ihrer Zugehörigkeit den Rücken stärken. Ihre Einflussnahme ist wichtig und sehr gefragt!

  1. November 2022, der Präsident Paul Ryf