Anzahl Lastwagen auf der Holcim-Süd-Zufahrt pro Woche und Firma von November 2017 bis 12. Juni 2020. Starke Einbrüche gab es jeweils am Jahresende; um den 1. August herum waren sie etwas weniger ausgeprägt. Während der Coronazeit kam es zu ähnlich vielen Lastwagenfahrten wie in den Vorjahren.

Der Verein Wohnqualität Thayngen (VWT) musste seine Jahresversammlung wegen Corona verschieben. Präsident Paul Ryf und Vizepräsident Aldo Künzli nehmen eine Standortbestimmung vor. Interview: Andreas Schiendorfer

THAYNGEN Wenn wir eine Art Bilanz ziehen – und beim Positiven beginnen: Worauf sind Sie besonders stolz?
Aldo Künzli: Dass wir in den zwölf Jahren, seit es Verein gibt, schon einiges erreicht haben, zeigt doch, dass es uns braucht. Wenn es den VWT nicht gäbe, müsste man ihn gründen.
Paul Ryf: Als Präsident bin ich stolz darauf zu sehen, wie viele Mitglieder seit der ersten Stunde aktiv mit dabei sind; im Vorstand oder bei speziellen Projekten. Und wir verzeichnen laufend neue Eintritte.
Können Sie etwas konkreter werden?
Paul Ryf: Wir haben letztes Jahr in unserer Inserate-Serie immer wieder auf den Zusammenhang von Verkehr und Wohnqualität hingewiesen. Deshalb hat mich persönlich die Einführung der Tempo-30-Zone im Bereich Untere Dorfstrasse-Brühlstrasse sehr gefreut. Man erinnert sich vielleicht, dass ich ein Argument der Gegner – Temporeduktion schade dem Gewerbe – aufs Korn genommen habe, aber unter dem Strich bleibt das Fazit: Wohnqualität ist mehrheitsfähig.
Aldo Künzli: Erfolge hinsichtlich des Verkehrslärms sind die Einführung von Tempo 60 auf der J15 und die bessere Regelung des nächtlichen Güterverkehrs durch die Deutsche Bahn. Hervorheben möchte ich auch die Eröffnung des Steinzeitpfades, den Einsatz für das Pfahlbauerdorf. Jahrelang haben wir uns dafür eingesetzt, und was nun Kantonsarchäologie und Reiat Tourismus zusammen erreicht haben, ist toll.
Hat sich das Verkehrsproblem auf der Kesslerlochstrasse während des Lockdowns entschärft?
Aldo Künzli: Der Mittelwert unserer jahrelangen Verkehrszählungen liegt bei 40 Lastwagenfahrten pro Tag. Zwischen dem 16. März und dem 12. Juni wurde dieser Mittelwert 38 Mal übertroffen. Obwohl die Fahrten des örtlichen Gartenbauunternehmens auf ein Minimum zurückgegangen waren, verblieben die Lastwagenfahrten auf hohem Niveau. Manchmal sind es deren 100 pro Tag.
Paul Ryf: Von vielen Fahrern wird Tempo 30 nicht eingehalten; das haben unsere Messungen gezeigt. Das Problem des Wildwuchses beim nächtlichen Parkieren wurde insofern gelöst, als nun das Parkieren auf einer Teilstrecke der Kesslerlochstrasse erlaubt ist. Die Belastung des Quartiers durch Lärm und Schwerverkehr ist damit natürlich nicht zurückgegangen.
Der Verein erlitt, in Lausanne, auch empfindliche Rückschläge!
Aldo Künzli: Ja, die Niederlage vor Bundesgericht tat weh, auch wenn es sich um den Nebenschauplatz eines Nebenschauplatzes gehandelt hatte. Materiell wurde hinsichtlich der Rechtmässigkeit einer industriellen Schrottverarbeitungsfirma beim Kesslerloch nichts entschieden.
Gerade darum hätten Sie das Urteil akzeptieren können…
Aldo Künzli: Sicher. Dafür warten wir nun aber seit geraumer Zeit auf einen Entscheid der hiesigen Behörden hinsichtlich der Frage, ob die aktuelle Zwischennutzung des Areals ohne Baubewilligung rechtens ist oder nicht. Weil nichts gegangen ist, haben wir gegen den Nichteintretensentscheid des Gemeinderates Thayngen rekurriert. Eine Antwort steht noch aus.
Paul Ryf: Unsere ausführliche Antwort auf Stellungnahmen seitens der Rekursgegner wurde von Rechtsanwalt Prof. Arnold Marti ausgearbeitet. Da es sich um ein hängiges Verfahren handelt, können wir hierzu jedoch keine Einzelheiten bekannt geben.
Gibt es Hoffnungsschimmer am Horizont?
Aldo Künzli: Irgendwann wird ein Entscheid gefällt, und bei Berücksichtigung geltender Gesetze kann dieser nur lauten: Die industriell-gewerbliche Zwischennutzung des Areals bedarf einer Baubewilligung, und diese kann ohne gültigen Quartierplan nicht erteilt werden.
Paul Ryf: Einen Lösungsansatz könnte ein Augenschein aller Beteiligten vor Ort darstellen. Dies würden wir begrüssen. Wenn wir unsere Bedenken hinsichtlich des enormen Ausmasses der Zwischennutzung und die – unserer Überzeugung nach – teilweise problematische Lagerung anbringen und diskutieren könnten, kämen wir vielleicht einen Schritt weiter. Reines Aussitzen bringt nichts.
Letzte Frage: Warum liegt kein gültiger Quartierplan vor?
Paul Ryf:
Das fragen wir uns ebenfalls. Denn ohne einen Quartierplan ist in diesem Areal laut Zonenordnung gar kein Baubewilligungsverfahren möglich.
Aldo Künzli: Der Quartierplan muss nicht nur die berechtigten Interessen der Bevölkerung widerspiegeln und den Umweltschutz berücksichtigen, sondern auch den Schutz der international bedeutsamen Fundstätte Kesslerloch sicherstellen. Gemäss dem Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege vom 10. Oktober 2017 ist dies mit einem industriellen Recyclingbetrieb nicht möglich.

Selbstverständlich veröffentlicht der VWT den Leserbrief von Georg Wanner, der am 14. Juli im Thaynger Anzeiger darauf hinweist, dass es ohne Lastwagen zu einem Stillstand kommt (siehe PDF am Anfang des Artikels). Das ist nicht falsch, doch kommt es auf das gesunde, das heisst der Wohn- und Lebensqualität bekömmliche Mass an. Mehr ist nicht besser.