KRISE Die Lage im Altersheim Thayngen spitzt sich zu: unzählige Abgänge, ein externer Mediator, tiefe Auslastung – und nun springt auch noch Dörflingen als Vertragsgemeinde ab. Es droht ein grosses Defizit.

Kevin Brühlmann

190228 SHAZ Seniorenzentrum im Reiat

Mitte Dezember 2018 war das Alterswohnheim Thayngen fertig umgebaut. Nach mühsamen zweieinhalb Jahren Bauzeit kehrte endlich wieder der ruhige Alltag ein für die Bewohnerinnen und Bewohner. Nun stehen bloss noch ein paar Gartenarbeiten an.

Anders sieht es auf politischer Ebene aus. Wenn der Thaynger Gemeinderat in einigen Wochen seine Rechnung des letzten Jahres präsentieren wird, dürften viele erschrecken. Der Jahresabschluss des Altersheims wird nämlich ein grosses Loch in die Gemeindekasse reissen.

Bereits beim Erstellen des Budgets fürs Jahr 2018 rechnete man mit einem Minus von 900 000 Franken. Dieses Defizit wird sich gemäss Recherchen der AZ noch um einige Hunderttausend Franken vergrössern.

Dafür gibt es mehrere Gründe.

Die Abgänge

Im August 2016 kam ein neuer Heimleiter nach Thayngen, worauf die personellen Abgänge stark zunahmen (siehe AZ vom 29. März 2018). Diverse Personen sprachen von einem «Klima der Angst» und von «Kontrollwahn». Und die Kündigungswelle hält nach wie vor an. Zwischen jenem August 2016 und Ende Januar 2019 verliessen insgesamt 51 Angestellte den Betrieb, wie Gemeindepräsident Philippe Brühlmann (SVP) bestätigt, der für das Altersheim verantwortlich ist.

Das heisst: In den zweieinhalb Jahren unter dem neuen Heimleiter lief die Hälfte der insgesamt 100 Angestellten davon. Zuletzt hat auch der Leiter der Gastronomie das Handtuch geworfen. Er hatte seine Stelle erst im Herbst 2017 angetreten. Allein im Januar 2019 haben fünf Angestellte gekündigt.

Zum Vergleich: Ein Altersheim in der Stadt Schaffhausen, wo 150 Angestellte arbeiten, verzeichnete im Jahr 2018 genau sieben Abgänge. Vor Kurzem wurde ein externer Mediator beigezogen, der das angespannte Verhältnis zwischen Heimleiter, Gesundheitskommission und Personal beruhigen sollte. Allerdings: Bei der Aussprache des Personals war auch der Heimleiter anwesend, womit die Mediation, wie es ein Beteiligter gegenüber der AZ ausdrückt, «für die Katz» gewesen sei.

Die hohe Fluktuation schlägt sich in den Kosten nieder. Einerseits gab es diverse Frühpensionierungen und mindestens eine Freistellung, andererseits braucht es für die Einarbeitung eine doppelte Belegung.

Leere Betten
Stark ins Gewicht fallen die vielen leeren Betten. Gegenwärtig sind nur 69 der insgesamt 83 Plätze belegt, also 83 Prozent. Fachleute schlagen jedoch einen Wert von 95 Prozent vor. Vereinfacht gesagt, gilt die Rechnung: Ein leeres Bett kostet Thayngen 1000 Franken pro Monat. Gemeindepräsident Brühlmann beschwichtigt: Mit 69 Leuten habe man nur zwei weniger als budgetiert.

In Sachen Belegung kommt noch ein weiterer Punkt dazu: Per Ende 2019 hat die Gemeinde Dörflingen, die kein eigenes Altersheim hat, die Partnerschaft mit Thayngen gekündigt. Der Vertrag beinhaltete eine Art Kontingent von älteren Dörflingerinnen und Dörflingern, die ins Altersheim Thayngen ziehen; für gewöhnlich waren es um die drei Personen. Diese fallen nun grösstenteils weg.

«Die Altersheimwahl hat sich geöffnet», sagt Dörflingens Gemeindepräsident Pentti Aellig (SVP). «Die Leute wollen selber entscheiden, wohin sie gehen.»

«Das Problem ist politischer Natur»
In Thayngens Einwohnerrat gibt man sich vorsichtig, was Kritik am Altersheim angeht. Anders Richard Bührer von der SP, der vor Kurzem aus dem Kantonsrat zurückgetreten ist. «Ein Altersheim in unseren Zeiten sollte selbsttragend sein», sagt Bührer. «Dass unseres nun ein Finanzproblem hat, ist politischer Natur: Der Gemeinderat vernachlässigt seine Aufsichtspflicht. Das Heim muss endlich effizient geführt werden.»

Altersheim zur Unruhe Sammelartikel