14. November 2019. Herzhaft gelacht haben die Thaynger Politikerinnen und Politiker am Donnerstagabend im Seniorenzentrum im Reiat nur ein einziges Mal – als sich die neue Einwohnerrätin Hildegard Winzeler (SVP) kurz vorstellte. «In zwei Theatern spiele ich schon», meinte sie mit natürlichem Charme und natürlich in Mundart, «jetzt probiere ich es noch in einem dritten und bekomme erst noch eine Gage».

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Kalt geduscht wurde umgekehrt auch nur einer: der Fussballclub, dem gegenwärtig 150 Junioren und 100 Aktive angehören. «Der Vorstand des FC Thayngen kann es nicht zulassen, dass sich der Verein um 200 000 Franken verschuldet», stand in einem Brief, den Einwohnerratspräsidentin Nicole Stump (FDP) während der Budgetdebatte vorlas. Wenn der Einwohnerrat den Beschluss des Gemeinderates nicht korrigiere, erklärte der Vorstand des Sportvereins schriftlich, sei er nicht in der Lage, das von Präsident Peter Marti ehrenamtlich ausgearbeitete Projekt eines neuen Klubhauses weiterzuverfolgen, und gebe die Planung an den Gemeinderat zurück. Trotzdem lehnte der Rat mit acht zu sechs Stimmen den entsprechenden Aufstockungsantrag von Urs Winzeler (SVP) ab. Ein möglicher Ausweg besteht nun darin, dass der Gemeinderat innert nützlicher Frist mit einer separaten Vorlage an den Einwohnerrat gelangt. Diese Vorlage habe, so Patrick Flückiger (FDP), auf einer Gesamtstrategie zu beruhen, wie in Thayngen die verschiedenen Sport- und Jugendvereine gefördert werden sollen respektive wie das neue Klubhaus in der Stockwiesen auch von anderen Vereinen zu nutzen sei.

Objektsteuer in Aussicht gestellt

Derlei Diskussionen wurden überschattet von der hohen Verschuldung Thayngens, die laut Finanz- und Ausgabenplanung bis 2023 auf 45 Millionen Franken ansteigen soll. Solange der Steuerfuss unter dem kantonalen Durchschnitt bleibt, wird Thayngen trotzdem kräftig in den Finanzausgleich einzahlen müssen.

Zwar blieb zuletzt der Antrag von Doris Brügel (GP), den Steuerfuss um fünf Prozent zu erhöhen, absolut chancenlos, doch mit Kurt Bührer (FDP) und Karin Germann (SVP) stellten selbst bürgerliche Politiker die Idee in den Raum, künftig grosse Investitionen wie die Schwimmbadsanierung durch eine Objektsteuer zu finanzieren.

Musste der Einwohnerrat den Finanz- und Ausgabenplan, der jährlich mit einem Zeithorizont von vier Jahren angepasst wird, nur zur Kenntnis nehmen, so hatte er den Stellenplan zu genehmigen. Dieser sieht, gerundet, für das kommende Jahr 113 eingestufte beziehungsweise 104 besetzte und damit budgetrelevante Stellen vor. Das Personal der Gemeinde Thayngen wird, um in der Debatte einen Zeitsprung von gut zwei Stunden zu machen, 2020 von einer generellen Lohnerhöhung von einem Prozent profitieren. Anträge, die Lohnerhöhung individuell vorzunehmen oder zu kürzen, wurden abgelehnt.

Nicht enthalten im Stellenplan sind Lehrlinge sowie Mitarbeitende im Rahmen eines integrativen Beschäftigungsprogramms. Dass man Asylbewerbern oder Menschen mit einer Beeinträchtigung eine Chance geben soll, war unbestritten, doch vertrat Patrick Flückiger die Meinung, sie müssten im Stellenplan erscheinen, wenn sie, wie zwei Küchengehilfen des Seniorenzentrums im Reiat, für den laufenden Betrieb unerlässlich sind.

Diesbezüglich kann man geteilter Meinung sein und war geteilter Meinung. Mit Stichentscheid der Ratspräsidentin wurde der gemeinderätliche Antrag beibehalten. Im Laufe der lebhaften Diskussion erklärte Gemeindepräsident Philippe Brühlmann (SVP), man wolle ab Sommer 2020 im Seniorenzentrum im Reiat wieder Pflege-Lernende ausbilden.

Hilfestellung für Heimleitung

Ein wesentlicher Kostenfaktor war und ist das Seniorenzentrum im Reiat. Immerhin konnten die Mitglieder der Exekutive die drückenden Finanzsorgen leicht abschwächen. Liegt die neuste Kostenprognose des Baus gemäss Baureferent Adi Ehrat (FDP) bei nur 29,6 Millionen Franken, so beträgt das Jahresdefizit aktuell lediglich 1 128 270 Franken, da man im Oktober dank Vollbelegung ein Plus von 40 765 Franken erwirtschaften konnte.

Gemeindepräsident Philippe Brühlmann hat allerdings Angst, dass aufgrund der hohen Belastung des Personals eine neuerliche Fluktuationswelle einsetzt. An eine finanzielle Trendwende mochte der Einwohnerrat, an der letzten Sitzung vom Gemeinderat explizit in die Mitverantwortung einbezogen, in seiner Mehrheit allerdings noch nicht glauben.

Der Posten Gesundheit sieht für 2020 ein Defizit von 321 200 Franken vor. Beim Seniorenzentrum im Reiat sinkt das «realistischer budgetierte» Ergebnis um 355 300 Franken (siehe auch Zweitartikel). Die GPK schlug in einem erst kurz vor der Sitzung eingereichten Antrag die Durchführung einer Betriebsanalyse durch die Redi AG Treuhand vor. Neben GPK-Präsident Marco Passafaro (SP) sprachen sich während der Ratssitzung auch die übrigen GPKMitglieder, Karin Germann, Kurt Bührer und Paul Zuber (SP), klar dafür aus. Die Betriebsanalyse kostet 50 000 Franken, etwa gleich viel wird das Coaching der Heimleitung bei der Realisierung des Verbesserungspotenzials ausmachen – falls solches wirklich gefunden werden kann. «Die Begeisterung hält sich in Grenzen», erklärte dazu Philippe Brühlmann namens der vorgängig informierten Exekutive. «Der Gemeinderat verwehrt sich dem Antrag der GPK nicht. Die Betriebsanalyse wird als Chance wahrgenommen.» Die beauftragte Firma wird sowohl dem Gemeinderat als auch der GPK berichten; die Resultate werden schliesslich an den Einwohnerrat weitergeleitet und der wichtigen Kommission für Alter und Gesundheit zur Verfügung gestellt.

Nach vergleichsweise kurzer und konstruktiver Diskussion folgte der Einwohnerrat dem Antrag der GPK und genehmigte mit 10 zu 4 Stimmen zusätzlich zum Budget 100 000 Franken, was aber nicht dem Posten Gesundheit angelastet wird. Mit diesem Zusatz wurde das Budget schliesslich einstimmig genehmigt.

Baureferent tritt zurück

Nach Gemeindepräsident Philippe Brühlmann gab unter den «Mitteilungen aus dem Gemeinderat» nun auch Baureferent Adrian Ehrat seinen Rücktritt auf Ende der Legislaturperiode bekannt. Die Ersatzwahl für die auf Ende Oktober zurückgetretene Schulpräsidentin Irene Walter (SP) findet laut Schulreferentin Andrea Müller (SVP) am 9. Februar 2020 statt; bis dahin amtet Kurt Stihl (SVP) als Schulpräsident ad interim.

Manuela Heller (EDU) wurde eine Zusammenstellung der Planungs- und Kommissionskosten versprochen, die in den letzten Jahren für die Badi-Sanierung aufgewendet wurden. Die Gemeinde Thayngen bleibt nach einer erfolgreichen Rezertifizierung weiterhin eine Energiestadt, mit aktuell 5510 Einwohnerinnen und Einwohnern und einem 2011 verabschiedeten Leitbild 2020, über dessen Umsetzung der Einwohnerrat auf Wunsch von Kurt Bührer bei Gelegenheit informiert wird.

Zweitartikel: Selbstfinanzierungsgrad unter 50 Prozent

Die Erfolgsrechnung der Gemeinde Thayngen sieht bei Erträgen von 34,4 Millionen Franken einen Ertragsüberschuss von 346 500 Franken vor. Abweichend von der Vorlage wurden 100 000 Franken für die Betriebsanalyse des Seniorenzentrums im Reiat bewilligt. Das Gemeindepersonal erhält generell eine Lohnerhöhung von einem Prozent.

Die Investitionsrechnung sieht eine Nettoinvestition von 6 434 500 Franken vor. Der Steuerfuss verbleibt bei 92 Prozent. Der Selbstfinanzierungsgrad beträgt 48 Prozent. Ab 2021 rechnet die Gemeinde mit Ausgabenüberschüssen, die von 219 000 (2021) auf 744 000 Franken (2023) ansteigen. Dannzumal beträgt die Verschuldung mutmasslich 45 Millionen Franken.

Die Erfolgsrechnung sieht bei den juristischen Personen Mehreinnahmen von 520 000 Franken vor, was vom Einwohnerrat mehrheitlich als optimistische Einstufung taxiert wurde. Der Anteil der juristischen Personen liegt nun bei 24,1 Prozent der Steuereinnahmen. Bei den natürlichen Personen geht man von 80 000 Franken Mehreinnahmen aus.

Die Steuerkraft pro Bewohner steigt auf 3298 Franken. Gemäss Finanzreferent Rainer Stamm (parteilos) liegen die Steuererträge mit knapp 14 Millionen Franken wieder auf dem Niveau von 2004, dies allerdings bei einem um 7 Prozent höheren Steuerfuss und gut 1400 zusätzlichen Einwohnern.

Im Seniorenzentrum im Reiat sinken die Einnahmen aus Taxen und Beiträgen der Gemeinden um 739 500 Franken (22,3 Prozent). Das Ergebnis liegt deshalb um 355 300 Franken tiefer als im Vorjahr. Die Löhne (inkl. Zulagen und Sozialleistungen sinken um 513 100 Franken. Betroffen ist vor allem die Pflege; Verwaltung und Betrieb bleiben stabil. Die Abschreibungen im Seniorenzentrum im Reiat liegen um 162 500 Franken über dem Vorjahr. Das Globalbudget der Schule wird wegen der Vorgaben des Lehrplans 21 auf 1200 Franken pro Schüler angehoben.

Bei den Investitionen fallen vor allem die Aufstockung des Reckenschulhauses mitsamt flankierenden Arbeiten (2,9 Mio.) sowie die Arbeiten für die Wasserversorgung (1,2 Mio.) und das Regenklärbecken Sandbühl (0,78 Mio.) ins Gewicht. Budgetiert ist auch 1 Million für das Sporthaus Stockwiesen, davon 200 000 Franken als rückzahlbares Darlehen an den Fussballclub.

Das von Finanzreferent Rainer Stamm präsentierte Budget wurde erstmals mit dem neuen Rechnungslegungsmodell HRM2 umgesetzt. Dies bedeutete für das Team der Zentralverwaltung einen Mehraufwand, der vom Einwohnerrat verdankt wurde. (Schi.)