30. März 2019. Eine Einwohnerratssitzung ohne Thematisierung des neuen Altersheims? Inzwischen eine Rarität in Thayngen. Diesmal ging es um das Personalmanagement. Seit 2016 gerät das Zentrum immer wieder wegen personeller Fragen in die Kritik. Die SP will es nun genau wissen.

Das Seniorenzentrum im Reiat wird bald offiziell eingeweiht. Der politische Streit will derweil nicht abflachen. BILD SONJA WERNI

Andreas Grossmann, Schaffhauser Nachrichten

THAYNGEN. Angesichts der hoch emotional geführten Debatte um das neue Seniorenzentrum treten die restlichen Ratsgeschäfte meist etwas in den Hintergrund. Obwohl: Diesmal hielt man sich zurück. Die Spannung im Raum war freilich spürbar, als die Einwohnerratssitzung vom Donnerstagabend im dritten Traktandum auf das umstrittene Thema zusteuerte. Reglement und Leistungsauftrag des Heims standen zur Debatte – zum wiederholten Male. Als der Gemeinderat die beiden Geschäfte dem Einwohnerrat im Dezember 2018 erstmals vorlegte, wurden sie richtiggehend zerpflückt. Vornehmlich aus redaktionellen Gründen. Man störte sich an Stilistik und Begrifflichkeit. Zu unsorgfältig formuliert, formell zu widersprüchlich, lautete der Vorwurf. Einer der Punkte, die dazu führten, dass sowohl Reglement als auch Leistungsauftrag damals lediglich als erste Lesung behandelt wurden, betraf die Bezeichnung des Altersheims selbst. Wie soll es denn nun heissen? «Seniorenzentrum im Reiat», «Seniorenzentrum Im Reiat» (SIR) oder doch schlicht «Seniorenzentrum Reiat», wie es Karin Germann (SVP) vorschlug? Und müsste der Heimleiter dann nicht konsequenterweise Zentrumsleiter genannt werden? Der Leistungsauftrag und das Reglement wurden seitenweise durchgegangen und mühsam auf formelle Unzulänglichkeiten hin korrigiert.

Einstimmiges Durchwinken
Nun stand also der zweite Durchlauf an. Die vorgebrachten Änderungsvorschläge am Reglement seien grösstenteils umgesetzt und das Ganze der Kommission für Gesundheit und Alter nochmals vorgelegt worden, informierte der Gemeinderat. Es sei fast ausschliesslich um Begrifflichkeiten gegangen. Man habe zudem noch eine Haftungsbestimmung ergänzt, die bisher nur in den Heimverträgen erwähnt worden war. Hierbei geht es um das private Mobiliar und die Wertgegenstände der Bewohner. Der Einwohnerrat ging das Dokument seitenweise durch und genehmigte es schliesslich einstimmig.

«Die erste Lesung habe sich gelohnt», meinte Gemeindepräsident Philippe Brühlmann (SVP) auch beim zweiten Geschäft, dem Leistungsauftrag. Er gilt für das Seniorenzentrum und die Spitex. Auch hier wurden die Änderungen übernommen. Anpassungen bei den Leistungen waren keine nötig. Das Kantonale Gesundheitsamt prüfte sowohl Leistungsauftrag als auch Reglement und bestätigte die Gesetzeskonformität. Der Einwohnerrat winkte den Leistungsauftrag diesmal einstimmig durch.

Spitex-Reglement separat behandelt
Die Revision im stationären Bereich gehe mit derjenigen im ambulanten Bereich einher, erklärte Brühlmann. Deshalb stand an diesem Abend auch die Teilrevision des Spitex-Reglements auf der Traktandenliste. Doris Brügel (Grüne Partei) störte sich auf der ersten Seite am Begriff «Behinderte». Sie schlug «Menschen mit Beeinträchtigung» vor. Schliesslich einigte man sich auf «Handicapierte», und das Reglement wurde einstimmig abgesegnet.

Interpellation eingereicht
«Die Gerüchteküche brodelt. Es ist nicht immer einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen», so Einwohnerratspräsidentin Nicole Stump (FDP) zum nächsten Themenpunkt. Es ging um die Interpellation der SP – wie könnte es anders sein – zum Seniorenzentrum. Natürlich sei man stolz auf das neue Heim, und nach den vielen Diskussionen der letzten Jahre hätten auch sie das Thema gerne ad acta gelegt, so der Sprecher der SP-Fraktion, Marco Passafaro. Gleichwohl müsse man die Fluktuation im Altersheim, wenn die Zahlen in den Medien denn stimmten, als aussergewöhnlich hoch bezeichnen. Damit seien persönliche Schicksale der Mitarbeiter, aber auch der Heimbewohner verbunden. Eine konstante Betreuungssituation im Alter sei zentral. «Generell scheint mir der Gemeinderat die Diskussion eher aktiv unterbinden, als offen führen zu wollen.» Er als Einwohnerrats- und GPK-Mitglied wundere sich, dass er gewisse Dinge erstmals aus den Medien erfahre. Manuela Heller (EDU) unterstützte das Anliegen mit Nachdruck. Betroffene Mitarbeiter würden sich ihr seit Ende 2017 anvertrauen. «Man berichtete mir von flächendeckenden ungenügenden Beurteilungen – mitten in der Bauphase, wo die Heimangestellten aufgrund der Ausnahmesituation eigentlich eine besondere Wertschätzung verdient hätten.»

«Ich verstehe wirklich nicht, was die SP und Manuela für ein Problem mit dem Heim haben», erwiderte Heinrich Bührer (SVP) energisch. «Aus erster Hand weiss ich, dass Bewohner dort super betreut und bekocht werden. Ich war in letzter Zeit oft im Heim zu Besuch und habe viele, die sich beklagen, nie angetroffen – den kritisierten Gemeindepräsidenten hingegen mehrmals.» Das empfand Passafaro wiederum als Stimmungsmache. «Die Zahlen sprechen für sich: Wenn sie stimmen, würde das in keinem Unternehmen langfristig toleriert.»

Der zuständige Referent Philippe Brühlmann nahm die Interpellation weitgehend kommentarlos entgegen. Als Passafaro aber von «widrigen Bedingungen» für die Mitarbeiter sprach, konnte er sich eine deutliche Replik nicht verkneifen. «Ordnungsruf! Solche Worte akzeptiere ich nicht, ausser sie werden hier und jetzt begründet. Irgendwo hat es Grenzen. Einwohnerräte sprechen in den Medien von Zuständen im Heim. Welche Zustände?»

Generell drohte die Stimmung am Donnerstagabend immer mal wieder zu kippen. Die Positionen zum derzeitigen Lieblings-Zankapfel der Thaynger scheinen verhärtet. Wird die Beantwortung der Interpellation tatsächlich die erhoffte Transparenz und das verlorene Vertrauen zurückbringen oder den politischen Streit erst recht eskalieren lassen?

Kasten: 8 Fragen
Acht Fragen beinhaltet die Interpellation der SP: «Altersheim Thayngen – wie weiter?». Es geht darin vornehmlich um den Personalbestand seit August 2016. Damals wurde Stefan Dennler neuer Heimleiter. Die SP will wissen: Wie viele Mitarbeiter haben gekündigt, wurden pensioniert oder freigestellt? Wie reagiert der Gemeinderat auf die hohe Fluktuation? Kennt er alle Personalentscheide? Und was brachte eigentlich die Mediation zwischen Kader und Angestellten?

Kasten: Aktivierungsgrenze für Investitionen wurde gutgeheissen
Das totalrevidierte Finanzhaushaltsgesetz und die Finanzhaushaltsverordnung wurden im Kanton Schaffhausen auf Beginn des Jahres 2018 in Kraft gesetzt. Die Gemeinden müssen ihr Rechnungswesen innerhalb von zwei Jahren, das heisst bis zum 1. Januar 2020, anpassen. In Thayngen soll das Budget 2020 erstmals nach den Grundsätzen von HRM2 erstellt werden. Hierfür musste die Legislative aber noch zwei Beschlüsse fassen. Zum einen ging es um die Aktivierungsgrenze für Investitionen. Beim Kanton liegt sie bei 200 000 Franken, in den Gemeinden entscheiden Einwohnerrat und Gemeindeversammlung. Die Grenze darf allerdings nicht unter 25 000 Franken zu liegen kommen. «Der Gemeinderat schlägt übereinstimmend mit den Empfehlungen des Kantons eine Aktivierungsgrenze von 50 000 Franken vor. Analog zu vergleichbar grossen Gemeinden wie Beringen», so Finanzreferent Rainer Stamm. Direkt damit verbunden ist die Wesentlichkeitsgrenze für Rückstellungen. Sie wird der Aktivierungsgrenze gleichgesetzt. Rückstellungen, die über 50 000 Franken liegen, müssen damit automatisch aktiviert werden, wie Stamm erklärte. Im Einwohnerrat war man sich einig, dass eine tiefere Aktivierungsgrenze wohl keinen wesentlichen Vorteil brächte. Die beiden
Anträge wurden deshalb einstimmig angenommen. (agr)

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