Von der Zementfabrik Hofen zum Tonwerk Thayngen

Die Geschichte des “Tonwerks” soll aufgearbeitet und in Erinnerung gerufen werden. Das Tonwerk, hervorgegangen aus der 1861 gegründeten Ziegelfabrik Hofen, war während Jahrzehnten ein wichtiger Arbeitgeber im Reiat-Hegau. Wer die nachfolgenden Angaben, die laufend erweitert werden, ebenfalls ergänzen kann, ist gebeten, mit dem Verein Wohnqualität Thayngen oder dem Kulturverein Thayngen in Kontakt zu treten. Herzlichen Dank. Veranstaltungen: So. 09. September: Einweihung Infotafel Ziegelfabrik Hofen (Naturparkfest 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft Pro Unterer Reiat) Fr. 14. September, 18.00: Andreas Schiendorfer. Die Ziegelfabrik Hofen, Eine Spurensuche vor Ort (Kulturerbejahr 2018) 11. Januar 2018: Vortrag Andreas Schiendorfer, Steigsaal, Schaffhausen 14. September 2017: Vernissage Ausstellung im Kulturzentrum Sternen, Thayngen 8. März 2017: Vortrag Andreas Schiendorfer, Rest. Gemeindehaus / Kulturverein Präsentationen: Präsentation Schaffhausen   Präsentation Kulturverein Thayngen Medienartikel: Einst grösster Arbeitgeber im Reiat (Schaffhauser Wirtschaft, 1/2018, April, 42/43) Kunstkeramiker Mario Mascarin – Fortsetzung (Thayngens Beitrag zu moderner Kunstkeramik, Thaynger Anzeiger, 5. Dezember 2017) Toni Vio  (Nachruf, Thaynger Anzeiger, 5. Dezember 2017) Hafner Konrad Lenhard  (Thaynger Keramik im Berner Oberländer Stil, Thaynger Anzeiger, 14. November 2017) Ziegelgründer Jacob Buehrer (Ein Altmeister der Ziegelindustrie, Thaynger Anzeiger, 31. Oktober 2017) Keramik Weier (TA, 13. Oktober 2017) Von der Ziegelfabrik zum Tonwerk (TA, 3. Oktober 2017) Vortrag Kulturverein, 14.3.2017 (TA, 14. März 2017) Lift und Treppe in der Scheune (TA, 14. März 2017, geplanter Umbau) Verschiedene Artikel in einem PDF: Ausstellung im Kulturzentrum Sternen Empfehlenswere Webseiten: Ziegeleimuseum Cham Deutsches Dachziegelarchiv (Archiv Historische Dachziegel) Ziegelei Hundisburg (Technisches Denkmal)  

Beitritt empfohlen: Kulturverein Thayngen

Wesentliche Beiträge zur Lebensqualität in Thayngen gehen vom Kulturverein aus. Und dies bereits seit 1873. Hundertzehn Jahre später wurde der Verein, in welchem Frauen längst eine wichtige Rolle spielten, in Vereinigung für Kultur und Heimatkunde umbenannt. Seit 2007 gilt der heutige Name “Kulturverein Thayngen Reiat”; letzteres ist wichtig: Kultur macht nicht an der Gemeindegrenze Halt, sondern ist eine (zumindest) regionale Angelegenheit. 2008 hat der Kulturverein die Trägerschaft über das Ortsmuseum Adler und das Kulturzentrum Sternen übernommen. Mehr über diesen Verein erfahren Sie auf den Webseiten http://www.kulturverein-thayngen.ch und www.kulturzentrum-thayngen.ch  

Erinnerungen an die Schreckensnacht

Glück im Unglück hatte die Altdorfer Bevölkerung beim Bombenabwurf vom 28. Februar 1945. Nur drei Häuser wurden nicht in Mitleidenschaft gezogen, doch ernsthaft verletzt wurde niemand. Andreas Schiendorfer «Eine friedliche Abendstimmung lagert über unserem Dorfe, und das beschlossene Tagewerk hat einer stillen Einkehr Platz gemacht», schrieb Johann Mezger 1945 im jährlichen «Gemeinde-Gruss» der Kirchgemeinde Opfertshofen. Es habe sich bei der Bevölkerung «eine etwas sorglosere Gewöhnung an die Überfliegung unseres Luftraumes eingeschlichen». Niemand habe sich deshalb etwas daraus gemacht, als kurz nach halb neun Uhr ein einzelnes Flugzeug über Altdorf hinweggeflogen und bei der Sottenegg umgekehrt sei. «Schon über dem Oberholz eröffnet das Ungetüm das schreckliche, ohrenbetäubende Feuer seiner Bordwaffen unbarmherzig auf das wehrlose stille Dorf, und inmitten dieses Kugelregens fallen schon zwei Bomben hart hinter dem Zollhaus. Unwillkürlich, wie von magischer Faust gezwungen, wirft man sich zu Boden, währenddem Fenster, Dachziegel, Erdklumpen und Steine in wildem Durcheinander über unsern Köpfen hinwegsausen. (…) In sehr kurzer Zeit schon steht die erst kürzlich erstellte neue Scheune des Jakob Bolli-Fuchs in Flammen, sie ist durch die Geschosse der Bordwaffen in Brand geraten. (…) Arg mitgenommen ist das Haus des Albert und Georg Hakios zum Zoll; hier haben die abgeworfenen Sprengbomben ihre verheerende Wirkung vollbracht.» Flüchtlinge und Kriegskinder Christian Meier erinnert sich als 84-Jähriger noch gut an die Bombardierung. Seine Familie bewohnte damals den Egghof auf der Sottenegg. Nachdem der zweimotorige Flieger direkt über ihn hinweggeflogen war, konnte er die Bombardierung genau beobachten. «Nicht vorzustellen, was passiert wäre, wenn die Bomben vor statt hinter dem Haus niedergegangen wären. Im Zollhaus befanden sich nämlich einige Flüchtlinge aus Osteuropa. Sie waren kurz zuvor nach ihrem illegalen Grenzübertritt bei uns im Egghof verköstigt worden. Und vor dem Zollhaus standen wegen ihnen etliche Schaulustige. » Vielleicht auch einige Franzosenkinder. «In Opfertshofen und Altdorf sind nach Neujahr wieder einige Kriegskinder untergebracht worden, diesmal Elsässer aus Mülhausen. Sie sollen einen dreimonatigen Aufenthalt bei uns haben. Leider aber sind sie auch in unserer Gegend nicht ganz den Gefahren des Krieges entronnen», so der «Gemeinde-Gruss». Der Pfarrer im Strassengraben Pfarrer Werner Maurer (1913– 2002), im Februar 1940 im Pfarrhaus Opfertshofen eingezogen, schildert 1995 in einem Aufsatz nochmals die damaligen Ereignisse: «Schnee hat es keinen mehr. Der Vollmond scheint hell am Himmel und erleuchtet die Gegend mit seinem dämmrigen Licht. Da naht von Nordosten her ein Flugzeug. Es kreist über Altdorf. Ich sollte es eigentlich sehen im hellen Mondlicht. Aber es gelingt mir nicht, es wahrzunehmen. Doch genau über dem Dorf lässt es ein rotes Licht herabfallen. Und im nächsten Augenblick fängt es an, das Dorf mit Maschinengewehr zu beschiessen. BRRRRRRR, so tönt es, und ich sehe, wie im ganzen Dorf die Geschosse einschlagen. Wahrscheinlich sind sie am Boden noch explodiert, denn ich sehe immer, wo sie auftreffen. Im gleichen Augenblick löscht das Licht der Strassenbeleuchtung aus. Es ist wohl eine Leitung getroffen worden. Wir hatten ja Weisung, die Dörfer hell zu beleuchten, damit man sie als Schweizer Gebiet erkenne. Auf einmal dreht sich das Rohr des Geschützes im Flugzeug herum gegen die Egg, wo ich auf der Strasse stehe. Blitzschnell kommen die Einschläge der Schüsse mir näher den Hügel hinan. Ich werfe mich in den Strassengraben, um Deckung zu haben. Ganz niedrig fliegt die Flugmaschine über mich hinweg und hört endlich zu schiessen auf. In einem Bogen fliegt sie über das Bibertal, während ich stöhnend aufstehe und mich zu sammeln versuche. Aber schon ist sie wieder da und die Beschiessung des Dorfs beginnt von neuem. Und nun werden gar zwei Bomben abgeworfen, mitten ins Dorf. (…) Etwa um elf Uhr bin ich über die Egg nach Hause zurückgekehrt. An der Hand führe ich das Vreneli, ein Töchterlein aus einem Haus, das nicht mehr bewohnbar ist. Die Kinder der zahlreichen Familie sind an verschiedene Familien verteilt worden. (…) Am Morgen des 1. März führt mich mein erster Ausgang nach Altdorf. Wie sieht es da aus! Die Dächer der Häuser sind alle durchlöchert. Ziegel liegen überall herum. Schutt und Schmutz erfüllt die Strassen. Die Fensterscheiben sind alle geborsten, und die hölzernen Rahmen hängen zerfetzt herab. Die Leute stehen herum und beschauen die Schäden. Es sei niemand ums Leben gekommen. ‹Wir haben mitten im Unglück eine Bewahrung erlebt›. Einzig drei Häuser des Dorfes sind unbeschädigt geblieben. Eine Frau, die am Spültisch stand und gerade abwaschen wollte, drehte sich gerade um, um einen Milchtopf vom Tisch zu nehmen. Da kracht es, und ein Geschoss zertrümmert den Schüttstein, aber ihr ist nichts geschehen. Ein kleines Kind ist in einem Wohnhaus durch den Luftdruck aus seinem Bettchen geschleudert worden. Aber es ist ihm nichts geschehen.» Was die Zeitung berichtete Verletzungen unseres Luftraums. Der Bombenabwurf bei Altdorf. Amtlich wird mitgeteilt: In der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1945 wurden zwischen 19.58 und 2.20 Uhr der südliche Tessin, das nördliche und westliche Grenzgebiet sowie teilweise das Mittelland von einzelnen und Gruppen fremder Flugzeuge nicht festgestellter Nationalität überflogen. Fliegeralarm wurde in den gefährdeten Gebieten ausgelöst. Im Verlaufe dieser Überfliegungen wurden beim Zollhaus Altdorf (nördlich Schaffhausen) zwei Bomben abgeworfen. Dabei gerieten ein Bauernhaus und eine Scheune in Brand. Ein Mann wurde verletzt. («Schaffhauser Intelligenzblatt » vom 2. März 1945) Artikel als PDF anzeigen

Thaynger Unternehmen druckte in den 1920er-Jahren eigene Geldscheine

Eigentlich sind seit 1909 keine Schaffhauser Banknoten mehr im Umlauf – eine Ausnahme bildete das Jahr 1923, als neben Georg Fischer und Alusuisse auch die AG der Ziegelfabriken Thayngen und Rickelshausen in Deutschland Noten im Wert von 50 und 100 Milliarden Mark drucken liess. In Singen wurde damals die teuerste Brücke aller Zeiten gebaut. Andreas Schiendorfer Die Verleihung des Stadtrechts durch Eberhard von Nellenburg erlaubte es Schaffhausen, ab 1045 eigene Münzen zu prägen. Nachweisbar sind sie allerdings erst aus der Zeit um 1160. Die letzten Schaffhauser Batzen stammen von 1808/09. Banknoten, die man in der Schweiz seit 1847 kennt, wurden vorerst von den Kantonen gedruckt. In Schaffhausen fiel diese Aufgabe ab 1863 der von Friedrich Peyer im Hof gegründeten Bank in Schaffhausen (heute Credit Suisse) zu, später auch der 1883 gegründeten Schaffhauser Kantonalbank. Erst 1909, zwei Jahre nach der Gründung der Schweizerischen Nationalbank, wurden die ersten gesamtschweizerischen Noten verwendet. Damit waren die Schaffhauser Noten für immer verschwunden. Glaubte man. Denn 14 Jahre später tauchten wieder Geldscheine mit Schaffhauser Bezug auf – als in Deutschland während der Zwischenkriegszeit gedrucktes Notgeld. Deutsches Notgeld ab 1914 Als mit Beginn des Ersten Weltkriegs das Metall für die Münzproduktion immer knapper wurde, druckte man auch in Deutschland Papiergeld in kleinen Nominalwerten. Ab 1918 stiegen die Notenwerte ständig an, um dann 1923 in Billionenhöhe hinaufzuschnellen. Gedruckt wurde das Notgeld nicht nur von der Reichsbank und autorisierten Notenbanken, sondern auch von Kommunen – in unserer Region beispielsweise Donaueschingen, Jestetten, Konstanz, Radolfzell, Singen, Stockach, Stühlingen, Tiengen, Villingen und Waldshut – und sogar von einzelnen Firmen. Auch der Singener Gemeinderat beschloss ein halbes Jahr vor Ende des Ersten Weltkriegs die Ausgabe von 20 000 Fünfzig-Pfennig- Scheinen, die am 19. Juni 1918 in Umlauf gebracht wurden. Noch im gleichen Jahr musste erneut Notgeld gedruckt werden, diesmal in der Stückelung von 5, 10 und 20 Mark und einem Gesamtbetrag von 200 000 Mark. 1922 begann in Deutschland die Produktion von Grossgeldscheinen, so im Oktober auch in der Stadt Singen mit den Werten bis 1000 Mark. Obwohl das in Deutschland zirkulierende Papiergeld inzwischen von 81,6 Milliarden Mark (1920) über 122,9 Milliarden Mark (1921) auf 1295,2 Milliarden Mark (1922) angestiegen war, vermochte auch diese Massnahme den enormen Geldbedarf nicht zu decken. Hyperinflation im Jahr 1923 Im Frühjahr 1923 setzte die Hyperinflation ein: Hatte das Briefporto nach dem Ersten Weltkrieg noch 15 Pfennig gekostet, so war dazu Anfang November 1923 eine Milliarde Mark nötig. Für ein Kilogramm Brot, das im Juli 1918 45 Pfennig kostete, bezahlte man im Juli 1920 2,50 Mark, im Juni 1923 bereits 2500 Mark und im November sogar 680 Millionen Mark. Verantwortlich für diese Entwicklung waren neben der Verteuerung der raren Rohstoffe die Reparationsansprüche der alliierten Siegermächte von zuerst 269 Milliarden und später 132 Goldmark. Zudem hatte sich der Staat bei seinen eigenen Bürgern und Unternehmen so stark verschuldet, dass er sich ausserstande sah, für seine Verbindlichkeiten aufzukommen. Wer damals sein Geld nicht in Immobilien angelegt hatte, verlor innert weniger Monate all sein Erspartes. Nach der Währungsreform vom 15. November 1923 erhielt man zwar für einen Dollar wieder wie vor Kriegsbeginn 4,20 Mark, doch beim Umtausch musste man für eine neue Rentenmark eine Billion Papiermark hinblättern. Die teuerste Brücke der Welt Diese ganze Entwicklung lässt sich auch anhand des Geldes der Stadt Singen nachvollziehen. Sie begann im August 1923 Noten im Wert von 1 Million Mark zu drucken, im September folgten solche von 50 und 100 Millionen Mark, im Oktober waren bereits Noten im Wert von 10, 20 und 50 Milliarden Mark nötig. Wurden am 6. November noch Geldscheine von 100 Milliarden Mark produziert, so stieg der Notenwert am 16. November sogar auf schier unvorstellbare fünf Billionen Mark an. Just in diesem Jahr beschloss der Singener Gemeinderat den Ersatz der alten Holzbrücke über die Aach. Das Budget betrug im Mai 1923 stattliche 87,5 Millionen Mark, die Schlussabrechnung ergab jedoch im Januar 1924 den stolzen Betrag von 1 520 940 901 926 024 Mark (1 Billiarde 520 Billionen 940 Milliarden 901 Millionen 926 Tausend 024 Mark), eine Summe, die man auf der Brücke als Mahnmal festhielt. Heute ist die teuerste Brücke aller Zeiten ein beliebtes Fotosujet. Bereinigt in Goldmark kostete die neue Steinbrücke zwar «nur» 31 126 Mark und damit nicht einmal das Dreifache des Bauvoranschlags, man muss aber bedenken, dass die Subventionen der Geldentwertung nur ungenügend angepasst worden waren. Firmen mit eigenem Notgeld Die drei in Singen ansässigen Schweizer Firmen Georg Fischer (AG der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer), Alusuisse (Aluminium Walzwerke Dr. Lauber, Neher u. Co.) und Maggi gaben ebenfalls eigenes Notgeld mit Werten bis zu 20 Milliarden Mark heraus. Im November 1923 setzte Georg Fischer auch wertbeständiges, das heisst an den Dollar gekoppeltes Notgeld in der Stückelung von 20 und 50 Goldpfennig sowie 1, 2 und 5 Goldmark ein. In Gottmadingen gab die 1821 gegründete, renommierte Bilger Brauerei ebenfalls Notgeldgutscheine heraus, scheinbar nicht aber die grössere Maschinenfabrik Fahr. Und auch die AG der Ziegelfabriken Thayngen und Rickelshausen verwendete Notgeld. Bis jetzt bekannt sind am 22. Oktober 1923 in Rickelshausen ausgegebene Gutscheine in Höhe von 50 und 100 Milliarden Papiermark, einzulösen bis Ende November 1923 bei der Niederlassung der Rheinischen Creditbank in Singen oder bei der Depositenkasse Radolfzell der Süddeutschen Disconto-Gesellschaft. Wenig Notgeld im Zweiten Weltkrieg Im Zweiten Weltkrieg kam Notgeld erst in den letzten Kriegswochen auf, doch untersagten die Alliierten sofort dessen Verwendung. 1947/48 aber wurde der Gebrauch stillschweigend toleriert. Die Alliierte Militärbehörde ihrerseits setzte Notgeldserien im Wert von 50 Pfennig bis 1000 Mark in Umlauf, die erstaunlicherweise mit 1944 datiert sind. Es scheint, als ob man aufseiten der Alliierten mit einem schnelleren Kriegsende gerechnet hatte. Die erneut notwendig gewordene Währungsreform brachte 1948 die Deutsche Mark (DM), die 1999/2002 durch den Euro ersetzt wurde. Literaturhinweis: Binder, Hermann. Das Notgeld der Stadt Singen und der Singener Firmen, in: Jahrbuch der Stadt Singen 2007, S. 23 ff; ders. Die Lebensumstände in Singen in der Zeit der «Inflation» 1922/23, in: Jahrbuch der Stadt Singen 2008, S. 175 ff. Artikel als PDF anzeigen

Einzigartig über die Grenzen hinaus

Neben der Pfahlbausiedlung Weier und dem Kesslerloch besitzt auch die Thaynger Pfarrkirche als Zeugnis einer vorreformatorischen Fluchtburg eine internationale Bedeutung. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Eine erste Spurensicherung. Andreas Schiendorfer Die Ereignisse rund um den Thaynger Sturm von 1499 sind nicht völlig unbekannt und beispielsweise in der Ortsgeschichte von Johannes Winzeler ausführlich geschildert worden. Aber erst Peter Jezler, der bedeutende, in unserer Region wohnhafte Kunsthistoriker, hat letzte Woche in seinem Vortrag über den Kirchenbauboom in der Spätgotik die überregionale Bedeutung unserer katholisch-reformierten Pfarrkirche aus den Jahren 1498 bis 1502 klar herausgeschält. Frömmigkeit führt zu Bauboom Jezler hat herausgefunden, dass zwischen 1470 und 1524 jede zweite der Zürcher Landkirchgemeinden eine neue Dorfkirche errichtet hat, und nimmt man wesentliche Umbauten hinzu, so steigt deren Zahl sogar auf über 80. In fast allen Fällen war es wie zumeist bäuerliche Dorfbevölkerung, welche den Patronatsherrn und die Kirche zu dieser Grossinvestition gedrängt hat. Da sie dabei keineswegs immer offene Türen einrannten, gibt es heute zahlreiche Gerichtsakten, die Einblick in die damaligen Verhältnisse geben. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich der Reformationssturm nicht über einen längeren Zeitraum zusammenbraute, sondern gewissermassen wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam, und alles andere denn eine Revolution von unten darstellte. Die Bauern wollten zunächst ihre Glaubens- und Lebenssituation mit der (katholischen) Kirche verbessern und nicht im Aufstand gegen sie. In Bezug auf den Kanton Schaffhausen stellte der spannende Vortrag, gehalten im Rahmen der 30-teiligen Reihe «Kunstgeschichte der Schweiz», gewissermassen einen Werkstattbericht dar, denn bei uns ist die «vorreformatorische Frömmigkeit» nur unzureichend erforscht, auch wenn etwa die Arbeiten von Reinhard Frauenfelder (1901–1983) interessante Aspekte enthalten. Gut dokumentierte Geschichte Warum aber nimmt Thayngen neben der Hallauer Wallfahrtskirche diesbezüglich eine überragende Stellung ein? Sie stellt, so Peter Jezler, das nach aktuellem Erkenntnisstand beste Zeugnis einer vorreformatorischen Kirche mit Fluchtburgfunktion im deutschen Sprachraum dar. Einerseits findet man noch heute im Kirchturm eine offensichtliche Schiessscharte mit vergrössertem Schussradius (siehe Foto), anderseits gibt es keine andere kirchliche Fluchtburg, die in zeitgenössischen Quellen derart breit und zuverlässig dokumentiert ist. Die Schilderung des Thaynger Sturms des Diebold Schilling, nicht zuletzt die Szene, in der ein Vater mit seinem Kind aus dem brennenden Kirchturm springt (siehe Kasten), ist absolut glaubwürdig, weil die Geschehnisse von der Gegenseite, beispielsweise Götz von Berlichingen, praktisch identisch erzählt werden. Wer kann helfen? Doch vorerst sind mehr neue Fragen aufgetaucht, als alte beantwortet wurden. So ist im 1914 erschienenen Werk «Die Kirchen des Kantons Schaffhausen» von einer farbigen Scheibe mit der Jahrzahl 1498 – als Beweis für den damaligen Neubau – die Rede. Ist diese, vom Autor unbemerkt, noch vorhanden? Zudem heisst es: «Rund um die Kirche herum muss sich (…) ein ziemlich hoher und dicker, mit Schiessscharten und Wehrgang wohl versehener Mauerring gezogen haben», dessen letzte Überreste offenbar 1905 abgetragen worden sind. Wer mehr darüber oder über die frühe Baugeschichte der Thaynger Kirche weiss, ist gebeten, sich an Peter Jezler oder Andreas Schiendorfer zu wenden. Herzlichen Dank! Artikel als PDF anzeigen

Die Villa Hosch macht Platz für das Alterswohnheim

Vor 125 Jahren gründen zwei Mitarbeiter der Firma Rieker zusammen mit dem Kaufmann Karl Hosch im Thaynger Kaufhaus eine Schuhfabrik. Bauliche Zeugen davon gibt es keine mehr: Die Liegenschaft wird 1939 von der Firma Knorr, die Villa Hosch 1972 von der Gemeinde abgerissen. Just hundert Jahre nach dem Aus der Schuhfabrik kommt 2005 wiederum eine Schuhmarke aus Tuttlingen nach Thayngen. Andreas Schiendorfer 132 Handwerker werden in Thayngen zwischen 1855 und 1877 durch die örtliche Handwerkerkontrolle als Meister aufgenommen. Wir finden darunter je fünf Gabelmacher, Küfer, Müller und Schneider, je sechs Schlosser, Wagner und Zimmerleute sowie sieben Maurer und acht Bäcker. Am häufigsten vertreten sind jedoch die Weber und die Schuster. Sie stellen in diesem Zeitraum von 22 Jahren jeweils 15 Meister. Zunächst gehen mindestens acht Schuhmacher gleichzeitig ihrer Tätigkeit nach, betreiben aber vermutlich daneben noch eine kleine Landwirtschaft. Mitte der 1880er- Jahre sind es mit Johannes Bernath, Johannes Gori, Georg Hübscher, Johannes Müller und Georg Stocker immer noch fünf. Diese Schuster sind keineswegs erfreut, als sie im März 1885 hören müssen, die Gebrüder Hencke aus Tuttlingen hätten die Absicht, im mehr oder weniger leer stehenden Kaufhaus eine Schuhfabrik einzurichten. Unterstützung in ihrem Kampf gegen diese unliebsame Konkurrenz erhalten sie von Pfarrer Eduard Preiswerk, der wegen der «leichtlebigen» Fabrikarbeiter einen allgemeinen Sittenzerfall befürchtet. Tatsächlich wenden sich die Tuttlinger schliesslich Stein am Rhein zu, wo die Schuhfabrik Hencke bis 1972 ein bedeutender Arbeitgeber bleibt. Wenige Jahre später bietet sich dem Gemeinderat eine weitere Chance: Im Juni 1891 vermeldet er, vorbehältlich der Zustimmung durch die Gemeindeversammlung, den Abschluss eines Kaufvertrags für das 1864 im Zusammenhang mit dem Bahnbau erstellte Kaufhaus. Wiederum wollen Tuttlinger hier eine Schuhfabrik eröffnen. Johann Martin Stengelin, Werkführer bei der 1874 gegründeten Firma Rieker und Seiz, und sein Schwiegersohn August Rapp, Buchhalter in der gleichen Firma, möchten sich mit der Hilfe des Kaufmanns Karl Hosch selbständig machen. Doch kaum hat man unterschrieben, will Stengelin «wegen Differenzen mit Herrn Hosch» wieder von seinen Verpflichtungen zurücktreten. Die Thaynger stellen aber derart hohe Entschädigungsforderungen, dass es am 16. Oktober 1891, also vor fast genau 125 Jahren, dennoch zur Fertigung kommt. Und danach geht es sehr schnell: Am 11. November liest man im Amtsblatt von der Absicht, «das hiesige Kaufhaus zu einer Schuhfabrik einzurichten und zugleich ein Kesselhaus nebst Kamin  anzubauen», und am 10. Dezember erfolgt der Eintrag der Firma Stengelin, Hosch & Co., Schuhwarenfabrikation und Schuhhandlung, ins Handelsregister. Bronzemedaille, aber auch Streit Von der Firma, die für das Kaufhaus gut 26 000 Franken bezahlt und bereits nach kurzer Zeit 70 Mitarbeiter aufweist, weiss man trotz eines mehrseitigen Artikels in der neuen Thaynger Ortsgeschichte noch recht wenig. Immerhin gewinnt sie 1896 an der Landesausstellung in Genf eine Bronzemedaille. Wenig später zieht sich Stengelin abmachungsgemäss aus der Firma zurück, um Platz für seinen Schwiegersohn zu machen. Das Unternehmen heisst dementsprechend ab 1897 Hosch, Rapp & Co., doch der Ablöseprozess verläuft keineswegs so harmonisch wie vorgesehen. Es kommt zu Streit, Gerichtsprozessen und schliesslich im September 1898 zu einer Verurteilung Stengelins wegen Unterschlagung. Später geraten auch Hosch und Rapp wegen finanzieller Probleme aneinander – vielleicht ist es aber auch genau umgekehrt und die ständigen Streitereien an der Firmenspitze sind die Auslöser der Firmenkrise. 1903/04 kann jedenfalls die Schuhfabrik, die zeitweise bis zu 170 Mitarbeiter beschäftigt hat, den Konkurs nur durch einen Nachlassvertrag verhindern. Dabei müssen 111 Gläubiger auf drei Viertel ihrer Forderungen, insgesamt über 300 000 Franken, verzichten. Der Industrielle Jakob Zuberbühler, wichtiger Zulieferer und Teilhaber, kauft schliesslich die Schuhfabrik, die am 23. April 1904 im Handelsregister gelöscht wird, und übersiedelt sie nach Zurzach. Unter August Rapp nimmt sie vermutlich im September 1905 ihren Betrieb auf. 1907 verkauft die Firma Zuberbühler & Cie ihre nicht mehr benötigte Thaynger Liegenschaft der ansiedlungswilligen C. H. Knorr AG aus Heidelberg, welche die in die Jahre gekommene Schuhfabrik 1939 abreisst. Seit dem Jahr 2000 gehört die «Knorri»  bekanntlich zum niederländisch- britischen Unilever-Konzern. Die Familie Bernath kauft die Villa 1905 muss Karl Hosch, der wegen der finanziellen Probleme seiner Schuhfabrik privat in Konkurs geht, seine 1896 erbaute Villa verkaufen. Dazu lesen wir im «Schaffhauser Intelligenzblatt » am 25. Januar folgenden Eintrag des Thaynger Korrespondenten: «Es mag den einen oder andern Leser dieses Blattes wundern, warum die sog. ‹Villa Hosch› beim Bahnhof Thayngen jetzt so geisterhaft erscheint, während bis vor kurzem die bekannten grossen ‹Schosshündchen› für sich allein schon übergenug Leben verursachten. Darum wird nachgetragen, dass das Haus jüngst von Herrn G. Bernath-Nägeli in Schaffhausen für Fr. 14 200 ersteigert worden ist; es dürfte von nun an in solid bürgerlicher Weise benützt werden.» Nach dem Verkauf des «Sonnenhofs» an die Firma Knorr lebt Franz Bernath-Rüttimann während Jahrzehnten in der «Villa». Das solid-bürgerlich benützte Haus wird im Volksmund weiterhin «Villa Hosch» beziehungsweise «Villa» genannt. 1961 kauft die Gemeinde die «Villa» für 220 000 Franken von der Erbengemeinschaft Bernath, weiss sie allerdings nicht so recht zu nutzen. Sie vermietet sie an Gastarbeiter und scheut sich vor den nötigen Investitionen; auf der rund 47 Aren grossen Liegenschaft hingegen stellt man einige Schulbaracken auf. Im Februar 1969 realisiert der Gemeinderat, dass weder das ehemalige Bethanienheim noch der ursprünglich bevorzugte Standort Merzenbrunnen sich für das geplante Alterswohnheim wirklich eignen, und erinnert sich gerade rechtzeitig an die «Villa». Sie wird 1972 von den Luftschutztruppen als willkommenes Übungsobjekt abgerissen, um dem geplanten Alterswohnheim am Blumenweg Platz zu machen. Dieses wird im Mai 1975 eröffnet. Die Schulpavillons werden im Silberberg noch lange als Dauerprovisorium genutzt; das heutige Schulhaus wird erst im September 2001 eingeweiht. Arbeitsplätze dank Schuhfirma Just 100 Jahre nach diesen Ereignissen kommt Rieker wiederum nach Thayngen, diesmal aber, wie man weiss, das Unternehmen selbst. 2003 kann die Wirtschaftsförderung die Ansiedlung der Rieker Schuh AG vermelden, 2005 eröffnet die Weltmarke, die rund 20 000 Mitarbeiter beschäftigt, in Thayngen ihre Firmenzentrale. 2008 wird ein Outlet-Schuhladen angegliedert. Heute ist Rieker wie seinerzeit die Schuhfabrik Stengelin, Hosch & Co einer der grössten Arbeitgeber des Reiats. Und an der Spitze des Familienunternehmens Rieker steht zwar kein Stengelin und auch kein Hosch, dafür aber Verwaltungsratspräsident Markus Rapp. Ob irgendwelche weit entfernten verwandtschaftlichen Beziehungen mit August