26. April 2019. SN-Redaktor Andreas Grossmann, der am 19. März ein ausführliches Interview mit Gemeindepräsident Brühlmann geführt hat, greift die Diskussionen um das Seniorenzentrum im Reiat erneut auf. “Das neue Seniorenzentrum im Reiat sieht sich weiterhin happigen Vorwürfen ausgesetzt. Heimliche Bespitzelung von Mitarbeitern, Überwachungskultur, Repressionen – wie reagiert der Heimleiter? Nebenbei geht es nun auch noch um das Amtsgeheimnis.”

Die beiden letzten Berichte der shaz
11. April 2019: Heimlich abgehört
28. Februar 2019: Grosses Minus im Altersheim
29. März 2018: Altersheim zur Unruhe
THAYNGEN. Bespitzelung und Überwachung von Mitarbeitern, Erstellen von belastenden Wortprotokollen, Listen mit Verfehlungen, Belohnung kooperierender und Bestrafung nicht kooperierender Mitarbeiter – möglicherweise sogar heimliche Aufnahmen privater Gespräche. Dies die Vorwürfe, die mehrere ehemalige und jetzige Angestellte des Seniorenzentrums im Reiat derzeit öffentlich erheben. Die Anschuldigung mit der meisten Sprengkraft: Eine private, zudem ausserhalb des Unternehmens stattfindende Gesprächsrunde unter Angestellten wird scheinbar heimlich protokolliert. Kritische Aussagen einiger Mitarbeiter werden der Heimleitung in der Folge zugespielt und provozieren letztlich indirekt eine Abmahnung. Rechtsanwalt Dieter Schilling findet die Vorwürfe, die in der «Schaffhauser AZ» kürzlich publik gemacht wurden, happig: «Sollten tatsächlich Mitarbeitende vom Arbeitgeber angehalten worden sein, Gespräche an einem privaten Anlass zu protokollieren, um dem Arbeitgeber danach Rapport zu erstatten, wäre dies unerhört und würde eine krasse Missachtung der Privatsphäre darstellen. Sollte der Mitarbeitende gar heimlich Tonaufnahmen auf seinem Handy gemacht haben, könnte er sich auch strafrechtlich relevant verhalten haben.»

Zitat: «Dies würde eine krasse Missachtung der Privatsphäre darstellen.» Dieter Schilling, Rechtsanwalt

Der Heimleiter bezieht Stellung
Heimleiter Stefan Dennler weist die Vorwürfe zurück. Weder gebe es unter seinen Mitarbeitern ein Lager, welches das andere bespitzele, noch habe er eine solche Überwachungskultur je in irgendeiner Weise gefördert oder gar gezielt initiiert. Natürlich könne es sporadisch vorkommen, dass Mitarbeiter mit solchen Hinweisen an ihn herantreten. In einer Zeit des Umbruchs mit Umzug und Reorganisation seien Reibereien schon einmal möglich. Dass nicht alle Mitarbeiter die Entscheide der Heimleitung gleich loyal mittragen, erstaune nicht. Repräsentativ für die Unternehmenskultur
sei dies freilich nicht. Er habe sich vor der Mediation vielleicht einmal monatlich mit solchen Fällen auseinandersetzen müssen, seither hätten sie abgenommen. Bereits in Workshops 2017 habe er seinen Mitarbeitern die Feedbackregel vorgeschlagen: Jeder, der ein Problem mit jemand anderem hat, soll direkt auf diesen zugehen und nicht immer automatisch an eine höhere Stelle gelangen. «Ich habe weder je loyale Mitarbeiter zur Überwachung kritischer Mitarbeiter angestiftet oder gar beauftragt noch habe ich irgendwelche Wortprotokolle oder gar heimliche Aufnahmen angeordnet«, so Dennler. «Ich habe nie jemanden für kritische Äusserungen
abgestraft, das heisst entlassen, abgemahnt und so weiter, und habe umgekehrt auch nie einen Mitarbeiter befördert, weil er mir Hinweise zu kritischen Äusserungen eines anderen gab. Solche Entscheide über Beförderungen oder Entlassungen basieren immer auf fachlicher Grundlage.»

Zum konkreten Vorwurf der heimlichen Dokumentation eines Privatanlasses sagt er: «Tatsächlich sprach ein Kadermitglied mit der Mitarbeiterin nochmals über das Thema. Daraus wurde eine Gesprächsnotiz erstellt, die der Mitarbeiterin zur Unterzeichnung vorgelegt wurde – eine völlig normale Vorgehensweise in Unternehmen. Mit der Unterschrift bestätigt die Mitarbeiterin lediglich, dass ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten zur Thematik stattfand. Es wurde weder ein detailliertes Wortprotokoll des Privatanlasses beauftragt noch freiwillig erstellt oder als Basis für die Gesprächsnotiz genommen, wie der Artikel suggeriert.» Die betreffende Gesprächsnotiz sei der Kommission für Gesundheit und Alter 2017 vorgelegt worden. Übrigens habe nicht einmal er selbst das Gespräch mit der Mitarbeiterin geführt, sondern eine andere Kaderperson.

Gibt es eine Überwachungskultur?
GPK-Präsident, Einwohnerrat und Interpellant Marco Passafaro verweist auf persönliche Gespräche mit Betroffenen: «Ich hatte weinende Mitarbeiter am Telefon, die mich baten, sie nicht namentlich zu nennen, da sie Angst vor Repression haben. Ob das für weite Teile der Belegschaft repräsentativ ist, lässt sich nicht sagen. Mir wurde persönlich mitgeteilt, dass Denunziation in Einzelfällen stattgefunden habe. Kann ich das überprüfen? Natürlich nicht.» Für ihn gebe es allerdings keine Indizien
für eine Besserung. Er schlägt eine anonyme Mitarbeiterbefragung vor. «In den nächsten Monaten soll eine unabhängige externe Anlaufstelle für Mitarbeitende eingerichtet werden. Dort berät eine Ansprechperson zu Konflikten aller Art, auch mit der Heimleitung», sagt Stefan Dennler.

Paul Zuber, Einwohnerrat und Mitglied der Kommission für Gesundheit und Alter: «Ich habe von diversen Mitarbeitenden ansatzweise von Bespitzelung gehört, aber nie etwas Schriftliches gesehen.» Entgegen der Aussage von Stefan Dennler erscheinen ihm die Quellen aber repräsentativ für eine derzeitige Überwachungskultur. «Eine Bewerberin hat mir berichtet, dass die Stationsleiterin die Raumpflegerin beauftragt habe, sie während der Arbeit zu überwachen. Von einer bekannten Angehörigen weiss ich, dass sie sich mit einer Pflegeperson auf dem Gang unterhalten hatte, als der Heimleiter aus einer Bürotür schoss und sagte, jetzt wisse er, wodurch all die Verunglimpfungen entstünden.» Einmischungen ins Operative seien seit der Ära Dennler untersagt. Man habe 2017 zudem versucht, ihn aus der Kommission auszuschliessen. Dennler betont, er sei für eine interne Untersuchung offen. Zuber hat Zweifel: «Mir wurde erzählt, Mitarbeitende hätten etwa zum Zeitpunkt der mutmasslichen
Bespitzelung kistenweise Papier ins Auto von Herrn Dennler geladen. Die Vermutung der Vertuschung liegt vor.»

Einwohnerrätin Manuela Heller glaubt den Mitarbeitern, die von Überwachung sprechen. «Auch wenn viele davon inzwischen Ehemalige sind, halte ich die Stimmen für repräsentativ. Die geschilderten Fälle wurden mir alle ebenfalls anvertraut.» In ihren Augen gehören Informationen von Privatgesprächen nach Feierabend grundsätzlich nicht ans Kader weitergeleitet. Kadermitarbeiter sollten solches Verhalten stoppen, es sei Gift fürs Betriebsklima. «Die Kontrollgremien haben verschiedentlich versagt», meint sie. «Im Einwohnerrat erwarten wir noch eine Antwort zur Interpellation der SP», sagt Einwohnerratspräsidentin und Mitglied der Kommission für Gesundheit und Alter Nicole Stump. «Sollte anschliessend immer noch Unruhe und Unklarheit herrschen,
wäre eine Untersuchung von einer unabhängigen Stelle der letzte Schritt. Ich hoffe aber auf die Vernunft aller Beteiligten, gemeinsame und lösungsorientierte Massnahmen zu finden.» Es gehe für sie nicht darum, was sie glaube oder nicht. Verschiedene Ansichten und Interpretationen
stünden im Raum. Sie sei keine Richterin. «Wichtiger ist, dass solche Situationen gemeinsam aufgearbeitet werden. Das war mit ein Grund für die Mediation.»

Zitat: «Die Kontrollgremien haben verschiedentlich versagt.» Manuela Heller, Einwohnerrätin

Amtsgeheimnisverletzung diskutiert
Scheinbar wurden vertrauliche und interne Informationen aus Gemeinderat und Kommissionen, etwa zu Abgängen oder Finanzen, an die Medien weitergegeben. Handelt es sich hierbei gar um eine Amtsgeheimnisverletzung? Laut Marco Passafaro fällt die GPK als Quelle für den grössten Teil der Informationen weg. «Unter anderem ist uns die Anzahl an Abgängen nicht mitgeteilt worden. Die Finanzen kennen
wir. Als Präsident der GPK möchte ich jedoch sagen, dass ich meinen Kollegen in dieser Sache vollständig vertraue.» Paul Zuber dazu: «Von mir als Einwohnerrats und GPK-Mitglied hat die AZ nichts erhalten.» Dass die vage Äusserung bezüglich des Defizites eine Amtsgeheimnisverletzung sei, bezweifelt er. «Es gehen keine vertraulichen Informationen aus Kommissionen oder Gemeinderat nach aussen», ist Nicole Stump überzeugt. Der Vorwurf einer Amtsgeheimnisverletzung müsse dennoch sauber aufgearbeitet werden, vor allem wenn sich Gerüchte hartnäckig halten.

Gemeindepräsident und zuständiger Referent Philippe Brühlmann wollte sich derzeit nicht zum Thema äussern.

Kasten: Schwierige Situation im neuen Altersheim
Seit Antritt des neuen Heimleiters 2016 wird öffentlich viel über die
Personalführung im neuen Altersheim Thayngen gesprochen. Die Fluktuation ist hoch, ehemalige und jetzige Mitarbeiter äussern sich
wiederholt negativ über das Arbeitsklima. Auch politisch sorgt das Heim für Wirbel. Anfang März 2019 reichte die SP-Fraktion eine Interpellation zum Thema ein. Dadurch soll geklärt werden, ob der zuständige Referent und die Heimleitung die Personalsituation im Griff haben.