Neun Schaffhauser Gemeinden wurden von Alliierten bombardiert

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs griffen die Alliierten immer häufiger auch Ziele in Grenznähe an. Dabei wurden auch Thayngen, Lohn und Altdorf bombardiert.

Andreas Schiendorfer

Bereits 1936 hatte das Eidgenössische Militärdepartement – nicht zuletzt auf wiederholte Initiative Nazideutschlands – vorbereitende Massnahmen zur Verdunkelung angeordnet.
Die Schaffhauser stellten sich allerdings auf den Standpunkt, eine gute Beleuchtung würde ihren rechtsrheinischen Gemeinden besseren Schutz bieten. Die erste Luftraumverletzung
vom 12. September 1939 gab den Diskussionen neuen Auftrieb. Zeitweise beleuchtete die Stadt Schaffhausen den Munot und die Strassen bis nachts um zwei Uhr. Doch vom November 1940 an war die Verdunkelung ab zehn Uhr abends landesweit obligatorisch, was sich erst am 12. September 1944 wieder änderte. Mittlerweile aber gab es Gemeinden wie Merishausen, die sich angesichts des komplexen Grenzverlaufs bei völliger Dunkelheit besser geschützt fühlten als bei einer massvollen Beleuchtung.

Die Bombardierung Altdorfs (vgl. Thaynger Anzeiger vom 21. April) gab diesen Skeptikern zumindest teilweise recht. Gleichzeitig mit der Aufhebung der Verdunkelung wurde den
Gemeinden empfohlen, riesige Schweizerkreuze auf Hausdächer zu malen oder an exponierten Stellen im Gelände auszulegen, zum Beispiel auf der Sottenegg. Auf die Bevölkerung wirkte dies beruhigend, ob aber diese Kreuze von den alliierten Piloten erkannt und richtig gedeutet werden konnten, war von Anfang an umstritten.

Kaum je isolierte Angriffe Betrachtet man die Bombardierungen im Kanton Schaffhausen, so kann man aus wissenschaftlicher Sicht zweifelsfrei sagen, dass es sich
allesamt um unabsichtliche Fehlleistungen alliierter Piloten handelte. Dies schliesst nicht aus, dass sich nachträglich bei manch einer Zeugenaussage eine gewisse Schadenfreude einschlich, weil die Schweiz Deutschland allzu sehr unterstützt habe. Eine sachliche Beurteilung des Verhaltens der Schweiz ist jedoch nur schon darum schwierig, weil während des Zweiten Weltkriegs von
allen existierenden Staaten lediglich neun neutral geblieben sind! Ebenfalls fast nicht mehr nachvollziehen kann man, dass sich damals die Radartechnik noch in einer Experimentierphase
befand. Tatsächlich aber galt der Bombenangriff vom 1. April 1944, bei dem in Schaffhausen 40 Menschen ihr Leben verloren und Bomben auch auf Schlatter, Feuerthaler, Neuhauser, Hallauer sowie Grafenhauser Gemarkung fielen, dem 200 Kilometer nördlich gelegenen Ludwigshafen.

 

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Die Alliierten hatten aber auch in der süddeutschen Nachbarschaft ihre Angriffsziele. Insbesondere wollten sie die wichtige Rüstungsindustrie Friedrichshafens zerstören.
Zwischen dem 21. Juni 1943 und dem 25. Februar 1944 warfen gegen 2000 Flugzeuge bei 11 Angriffen über 7400 Spreng- und 200 000 Brandbomben ab und töteten
maximal 671 Menschen, zumeist deutsche und ausländische Zwangsarbeiter bei Dornier, Zeppelin, Maybach und der Zahnradfabrik. Das zweite regelmässige Ziel
bildeten die Eisenbahnlinien in Singen. Sechs Angriffe zwischen dem 17. Oktober 1944 und dem 21. April 1945 kosteten allein in Singen 52 Menschen das Leben. Beim
verheerenden Angriff am Weihnachtstag 1944 wurde auch Thayngen bombardiert (siehe Kasten).

 

Die grösste Angriffswelle der Alliierten erfolgte am 22. Februar 1945. Neben Singen (15 Todesopfer) wurden gleichentags auch Engen-Altdorf (31 Tote), Stockach (20 Tote) und Messkirch (35 Tote) bombardiert sowie in der Schweiz Stein am Rhein (9 Tote), Neuhausen am Rheinfall, Beringen, Neunkirch, Lohn und das zürcherische Rafz (7 Tote). Der letzte Angriff auf die Stadt am Hohentwiel verlief am 21. April glimpflich, bombardiert wurden damals auch die Bahnlinie sowie die Maschinenfabrik Fahr in Gottmadingen. Während bei den marginalen Bombardierungen von Hallau-Wunderklingen und Schleitheim-Oberwiesen vom 20. Februar 1945 mit Eggingen beziehungsweise Stühlingen die benachbarten deutschen Ziele bekannt sind, scheint im Falle von Altdorf der eigentliche Angriff nicht Wiechs oder Tengen gegolten zu haben. Gemäss den Recherchen des Altdorfer Zeitzeugen Hans-Ruedi Bolli (Jahrgang 1941) ist ein Zusammenhang mit der Bombardierung Freiburgs i. B. durch die Amerikaner am wahrscheinlichsten, wobei sich ein «Mosquito» des britischen Begleitschutzes von seiner Staffel entfernt habe. Für Altdorf war die Bedrohung damit noch nicht vorbei: Am 27. April sollte die Beschiessung der Sottenegg durch einen französischen Panzer folgen.