21. Mai 2019. Berichterstattung im “Thaynger Anzeiger” über die Einwohnerratssitzung vom 16. Mai. Das massive Defizit und die hohe Personalfluktuation lassen das Seniorenzentrum im Reiat nicht zur Ruhe kommen und boten am Donnerstag an der beinahe vierstündigen Einwohnerratssitzung für reichlich Gesprächsstoff. Von Andreas Schiendorfer
Die Einweihung des neuen Seniorenzentrums im Reiat stiess am 11. Mai auf grosses Interesse seitens der Bevölkerung, und Einwohnerratspräsidentin Nicole Stump (FDP) freute sich darüber, dass sie viele anerkennende Worte über den Bau, aber auch über die Betreuung der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner hören durfte. Im Seniorenzentrum im Reiat wird zweifellos so gut gearbeitet wie andernorts, und dass sich viele nach Ruhe und einem Übergang in den Normalzustand sehnen, ist verständlich. Noch dürfte es allerdings nicht so weit sein.
Sorgten zunächst die massiven Mhehrkosten des Neubaus gegenüber dem 2012 genehmigten Kredit für Aufregung, so sind es nun Defizite und Budgetungenauigkeit einerseits sowie Klima und Personalfluktuation anderseits, welche einen Schatten über das Seniorenzentrum im Reiat werfen.
Dank der Beantwortung einer Interpellation von Marco Passafaro (SP) kennt man nun die offiziellen Zahlen in Bezug auf Personalbestand und Personalfluktuation. Um Missverständnissen vorzubeugen, gab Gemeindepräsident Philippe Brühlmann (SVP) seine Antwort schriftlich ab.
Im Bereich Hotellerie mit Küche und Wäscherei liegt das Ist bei 24,46 Vollzeitäquivalent, was gegenüber August 2016 eine Zunahme um 16,1 Prozent (3,06 Stellenprozent) darstellt. Im Bereich Pflege und Betreuung gingen die Stellen um 15,1 Prozent (6,59 Stellenprozent) auf 37,1 Vollzeitäquivalent zurück. Aktuell liegt das Ist um 0,73 Vollzeitäquivalent unter dem Soll.
Fluktuationsrate verringern
Zwischen dem 1. August 2016 und dem 11. März 2019 erfolgten 84 Austritte: In den Jahren 2017 und 2018 waren es 36 respektive 29. Im zweiten Halbjahr waren es sieben, im ersten Vierteljahr 2019 deren zwölf. Dabei handelte es sich allerdings in 30 Fällen (35,7 Prozent) um befristete Stellen. Viermal wurde, so Gemeindepräsident Brühlmann, eine Kündigung ausgesprochen, davon zweimal wegen «Missbrauchs von rauscherzeugenden Substanzen». Eine Freistellung ist gemäss Interpellationsbeantwortung nicht erfolgt.
«Der Gemeinderat ist sehr wohl alarmiert, und Ziel ist es, dass diese Zahl der Fluktuationen vermindert werden kann», so der Präsident der Kommission für Gesundheit und Alter. «Teilweise sind die Fluktuationen wahrscheinlich auf die Ergebnisse des Curaviva-Berichtes zurückzuführen.» Für die Zukunft erhofft sich Philipp Brühlmann viel von der Klärung mit Bettina Hoffmann und Adrian Kunzmann. Diese ist offensichtlich noch nicht abgeschlossen: «Es ist davon auszugehen, dass die Klärungshelfer in gezielten Gesprächen nochmals in den Einsatz kommen, um den Bedürfnissen entsprechend zu dienen.» Auf den 1. Juni wird nun die während der Klärung im Herbst versprochene unabhängige Beschwerdestelle in Schaffhausen realisiert.
Das Image des Seniorenzentrums im Reiat soll auch durch neue Dienstleistungen wie Tiertherapie, Generationenspielgruppe, Gastronomieangebot und vermehrte Vernetzung mit Vereinsaktivitäten verbessert werden.
Interpellant Passafaro ging nicht detailliert auf die Beantwortung seiner acht Fragen ein, betonte aber, dass die von Curaviva geforderten Anpassungen seiner Ansicht nach nicht auf das Betriebsklima hätten drücken müssen. Besorgt zeigte er sich über die hohe Fluktuationsrate 2019, die, hochgerechnet, deutlich über den Werten der Vorjahre liegt.
Urs Winzeler (SVP) sprach, sichtlich erregt, mit Bezug auf einen in der«schaffhauser az» erschienenen Artikel von Amtsgeheimnisverletzung – was Passafaro energisch zurückwies – und stellte eine Strafanzeige sowie die Forderung nach einer PUK in den Raum.
Fass ohne Boden
Dass die Jahresrechnung des Seniorenzentrums im Reiat höchst unbefriedigend ausfiel, war im Rat unbestritten. Finanzreferent Rainer Stamm (FDP) hob als positiv hervor, dass das Defizit von 1 387 958.80 Franken weniger auf Personal- und Sachausgaben als vielmehr auf deutlich tiefere Einnahmen zurückzuführen sei. Die von Marco Passafaro präsidierte, überparteilich zusammengesetzte Geschäftsprüfungskommission, der auch Karin Germann (SVP), Kurt Bührer (FDP), Paul Zuber (SP) und Marcel Fringer (FDP) angehören, störte sich nicht zuletzt an der ungenauen Budgetierung: Der Ausgabenüberschuss liegt «zum dritten Mal spürbar über dem prognostizierten Defizit, wobei das Defizit selbst in den letzten drei Jahren zusätzlich kontinuierlich angestiegen ist. Die GPK beobachtet beide dieser Entwicklungen mit grosser Skepsis. Zum einen muss überlegt werden, wie die Genauigkeit der Budgetierung erhöht werden kann. Eine Abweichung vom Budget beim SIR von fast einer halben Million, beziehungsweise 47,5 Prozent, ist zu hoch.»
Der Ausgabenüberschuss sei anderseits mit «dem Ziel eines ausgeglichenen Abschlusses beim SIR schwer vereinbar». Nach der frühzeitigen Auflösung der Aussenstelle im ehemaligen Pflegezentrum Schaffhausen hätte die GPK offensichtlich ein niedrigeres Defizit erwartet. Das Erreichen einer ausgeglichenen Rechnung scheint der GPK «auch in den kommenden ein bis zwei Jahren eher fraglich».
Aufgrund einer Interpellation mit Erstunterzeichner Renato Sala (SP) wird sich die Politik in den nächsten Monaten vertieft mit den letzten drei Jahresrechnungen befassen.
Frühere Berichterstattungen über das SIR
Zweitartikel: Erfreuliche Jahresrechnung 2018
Die Jahresrechnung 2018 der Gemeinde Thayngen schliesst bei Erträgen von 35,4 Millionen Franken mit einem Überschuss von 272 686 Franken ab – und dies trotz des massiven Defizits im Seniorenzentrum im Reiat. Finanzreferent Rainer Stamm (FDP) und Zentralverwalterin Kathrin Bosshard erhielten zu Recht Lob für die übersichtliche Darstellung und Erläuterung der Rechnung. Bei den natürlichen Personen nahm die Steuerleistung pro Kopf auf 3334 Franken zu und übertraf damit (bei allerdings höherem Steuerfuss) den Betrag von 2013. Die juristischen Personen konnten sich nach vier mageren Jahren ebenfalls wieder dem Richtwert von 2013 annähern und übertrafen das Budget um nicht weniger als 1,4 Millionen Franken. Der Schuldendienst nahm dank Ausnützen des Tiefzinsumfeldes ab. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verschuldung der Gemeinde mit über 35 Millionen Franken bzw. 6584 Franken pro Kopf ausgesprochen hoch ist. Nach einer positiven Würdigung und ganz wenigen Detailfragen wurde die Jahresrechnung einstimmig genehmigt.
Alle Stellen wurden besetzt
In einem ersten Teil der Sitzung erhielten die Einwohnerräte Informationen aus der Schule. Dabei ging es Schulpräsidentin Irene Walter, der Schulleitung mit Ralf Burmeister, Lukas Weber und, designiert, Janine Stillhart sowie der Schulsozialarbeiterin Christine Dreher weniger um harte Fakten als vielmehr um ein Stimmungsbild. Und dieses ist, nach Beseitigung gewisser personeller Spannungen in der Oberstufe, derzeit ausgezeichnet. Dies zeigt sich auch darin, dass trotz allgemeinen Lehrermangels alle Stellen besetzt werden konnten. Allerdings gibt es doch immer wieder heikle Probleme zu lösen und dies auch bei den jüngsten Kindern, etwa im Umgang mit digitalen Medien. Schulreferentin Andrea Müller (SVP) informierte über die Tagesstrukturen Biberburg. Diese stossen offensichtlich auf Interesse – einzig im Unteren Reiat übt man sich in Zurückhaltung, weshalb man die Anmeldefrist nochmals verlängerte. Nach Prüfung verschiedener Optionen werden die Mahlzeiten ab Sommer in der Reckenküche zubereitet.