Thaynger Unternehmen druckte in den 1920er-Jahren eigene Geldscheine

Eigentlich sind seit 1909 keine Schaffhauser Banknoten mehr im Umlauf – eine Ausnahme bildete das Jahr 1923, als neben Georg Fischer und Alusuisse auch die AG der Ziegelfabriken Thayngen und Rickelshausen in Deutschland Noten im Wert von 50 und 100 Milliarden Mark drucken liess. In Singen wurde damals die teuerste Brücke aller Zeiten gebaut.

Andreas Schiendorfer

Die Verleihung des Stadtrechts durch Eberhard von Nellenburg erlaubte es Schaffhausen, ab 1045 eigene Münzen zu prägen. Nachweisbar sind sie allerdings erst aus der Zeit um 1160. Die letzten Schaffhauser Batzen stammen von 1808/09. Banknoten, die man in der Schweiz seit 1847 kennt, wurden vorerst von den Kantonen gedruckt. In Schaffhausen fiel diese Aufgabe ab 1863 der von Friedrich Peyer im Hof gegründeten Bank in Schaffhausen (heute Credit Suisse) zu, später auch der 1883 gegründeten Schaffhauser Kantonalbank. Erst 1909, zwei Jahre nach der Gründung der Schweizerischen Nationalbank, wurden die ersten gesamtschweizerischen Noten verwendet. Damit waren die Schaffhauser Noten für immer verschwunden. Glaubte man. Denn 14 Jahre später tauchten wieder Geldscheine mit Schaffhauser Bezug auf – als in Deutschland während der Zwischenkriegszeit gedrucktes Notgeld.

Deutsches Notgeld ab 1914

Als mit Beginn des Ersten Weltkriegs das Metall für die Münzproduktion immer knapper wurde, druckte man auch in Deutschland Papiergeld in kleinen Nominalwerten. Ab 1918 stiegen die Notenwerte ständig an, um dann 1923 in Billionenhöhe hinaufzuschnellen. Gedruckt wurde das Notgeld nicht nur von der Reichsbank und autorisierten Notenbanken, sondern auch von Kommunen – in unserer Region beispielsweise Donaueschingen, Jestetten, Konstanz, Radolfzell, Singen, Stockach, Stühlingen, Tiengen, Villingen und Waldshut – und sogar von einzelnen Firmen. Auch der Singener Gemeinderat beschloss ein halbes Jahr vor Ende des Ersten Weltkriegs die Ausgabe von 20 000 Fünfzig-Pfennig- Scheinen, die am 19. Juni 1918 in Umlauf gebracht wurden. Noch im gleichen Jahr musste erneut Notgeld gedruckt werden, diesmal in der Stückelung von 5, 10 und 20 Mark und einem Gesamtbetrag von 200 000 Mark. 1922 begann in Deutschland die Produktion von Grossgeldscheinen, so im Oktober auch in der Stadt Singen mit den Werten bis 1000 Mark. Obwohl das in Deutschland zirkulierende Papiergeld inzwischen von 81,6 Milliarden Mark (1920) über 122,9 Milliarden Mark (1921) auf 1295,2 Milliarden Mark (1922) angestiegen war, vermochte auch diese Massnahme den enormen Geldbedarf nicht zu decken.

Hyperinflation im Jahr 1923

Im Frühjahr 1923 setzte die Hyperinflation ein: Hatte das Briefporto nach dem Ersten Weltkrieg noch 15 Pfennig gekostet, so war dazu Anfang November 1923 eine Milliarde Mark nötig. Für ein Kilogramm Brot, das im Juli 1918 45 Pfennig kostete, bezahlte man im Juli 1920 2,50 Mark, im Juni 1923 bereits 2500 Mark und im November sogar 680 Millionen Mark. Verantwortlich für diese Entwicklung waren neben der Verteuerung der raren Rohstoffe die Reparationsansprüche der alliierten Siegermächte von zuerst 269 Milliarden und später 132 Goldmark. Zudem hatte sich der Staat bei seinen eigenen Bürgern und Unternehmen so stark verschuldet, dass er sich ausserstande sah, für seine Verbindlichkeiten aufzukommen. Wer damals sein Geld nicht in Immobilien angelegt hatte, verlor innert weniger Monate all sein Erspartes. Nach der Währungsreform vom 15. November 1923 erhielt man zwar für einen Dollar wieder wie vor Kriegsbeginn 4,20 Mark, doch beim Umtausch musste man für eine neue Rentenmark eine Billion Papiermark hinblättern.

Die teuerste Brücke der Welt

Diese ganze Entwicklung lässt sich auch anhand des Geldes der Stadt Singen nachvollziehen. Sie begann im August 1923 Noten im Wert von 1 Million Mark zu drucken, im September folgten solche von 50 und 100 Millionen Mark, im Oktober waren bereits Noten im Wert von 10, 20 und 50 Milliarden Mark nötig. Wurden am 6. November noch Geldscheine von 100 Milliarden Mark produziert, so stieg der Notenwert am 16. November sogar auf schier unvorstellbare fünf Billionen Mark an.
Just in diesem Jahr beschloss der Singener Gemeinderat den Ersatz der alten Holzbrücke über die Aach. Das Budget betrug im Mai 1923 stattliche 87,5 Millionen Mark, die Schlussabrechnung ergab jedoch im Januar 1924 den stolzen Betrag von 1 520 940 901 926 024 Mark (1 Billiarde 520 Billionen 940 Milliarden 901 Millionen 926 Tausend 024 Mark), eine Summe, die man auf der Brücke als Mahnmal festhielt. Heute ist die teuerste Brücke aller Zeiten ein beliebtes Fotosujet. Bereinigt in Goldmark kostete die neue Steinbrücke zwar «nur» 31 126 Mark und damit nicht einmal das Dreifache des Bauvoranschlags, man muss aber bedenken, dass die Subventionen der Geldentwertung nur ungenügend angepasst worden waren.

Firmen mit eigenem Notgeld

Die drei in Singen ansässigen Schweizer Firmen Georg Fischer (AG der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer), Alusuisse (Aluminium Walzwerke Dr. Lauber, Neher u. Co.) und Maggi gaben ebenfalls eigenes Notgeld mit Werten bis zu 20 Milliarden Mark heraus. Im November 1923 setzte Georg Fischer auch wertbeständiges, das heisst an den Dollar gekoppeltes Notgeld in der Stückelung von 20 und 50 Goldpfennig sowie 1, 2 und 5 Goldmark ein. In Gottmadingen gab die 1821 gegründete, renommierte Bilger Brauerei ebenfalls Notgeldgutscheine heraus, scheinbar nicht aber die grössere Maschinenfabrik Fahr. Und auch die AG der Ziegelfabriken Thayngen und Rickelshausen verwendete Notgeld. Bis jetzt bekannt sind am 22. Oktober 1923 in Rickelshausen ausgegebene Gutscheine in Höhe von 50 und 100 Milliarden Papiermark, einzulösen bis Ende November 1923 bei der Niederlassung der Rheinischen Creditbank in Singen oder bei der Depositenkasse Radolfzell der Süddeutschen Disconto-Gesellschaft.

Wenig Notgeld im Zweiten Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg kam Notgeld erst in den letzten Kriegswochen auf, doch untersagten die Alliierten sofort dessen Verwendung. 1947/48 aber wurde der Gebrauch stillschweigend toleriert. Die Alliierte Militärbehörde ihrerseits setzte Notgeldserien im Wert von 50 Pfennig bis 1000 Mark in Umlauf, die erstaunlicherweise mit 1944 datiert sind. Es scheint, als ob man aufseiten der Alliierten mit einem schnelleren Kriegsende gerechnet hatte. Die erneut notwendig gewordene Währungsreform brachte 1948 die Deutsche Mark (DM), die 1999/2002 durch den Euro ersetzt
wurde.
Literaturhinweis: Binder, Hermann. Das Notgeld der Stadt Singen und der Singener Firmen, in: Jahrbuch der Stadt Singen 2007, S. 23 ff; ders. Die Lebensumstände in Singen in der Zeit der «Inflation» 1922/23, in: Jahrbuch der Stadt Singen 2008, S. 175 ff.

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